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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Kätzchendrama in der Tiefgarage des Parlermarkts

Zwei Tage lang sorgte eine kleine Katze in der Tiefgarage des Parlermarkts für Aufruhr. Die RZ erzählt die Geschichte ihrer Reise – die von Gschwend über Mittelbronn nach Gmünd und schließlich zum Happy End führte. Von Birgit Trinkle

Donnerstag, 17. Juli 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
6 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND. Um’s vorweg zu nehmen. Noch weiß ich nicht so richtig, ob ich Bub oder Mädle bin. Dass die Frau, die mich die letzten Tage rumgeschleift hat, sagt, nur Buben machen so viel Ärger, ist, glaub ich, kein Beweis. Oder?
Ich komme aus Gschwend. Da geht’s mir ganz gut. Da kann einer wie ich so richtig austesten, ob das stimmt mit den neun Leben. Neugier bringt die Katze um, heißt es, und vielleicht ist ja was dran. Ich hab schon einige tolle Dinger gedreht, weil ich halt immer wissen muss, was drunter und drüber ist, dahinter, darin. Von Menschen hab ich mich immer fern gehalten; die sind echt unheimlich. Das Zeug das sie so benutzen, auf unserm Hof, ist aber richtig cool. Als ich am Montag beim Chef unter die Autokiste gekrochen bin, da rein, wo so viele Drähte sind und anderes hochspannendes Zeug, war das aber plötzlich gar kein tolles Abenteuer mehr. Ich hab gedacht, mich holt der Teufel: Laut war das, und heiß, und alles durchgeschüttelt hat’s und ein paar mal war’s ganz, ganz knapp, dass ich rausgefallen wär. Die Straße raste wie verrückt unter mir durch. Das dauerte etwa so lang, wie meine Geschwister und ich brauchen, um bei der Mama zu trinken. Mir war schwindelig, als das aufhörte. Ich hab nix mehr gehört, so haben meine Ohren geklingelt, ich hab mich dreckig gefühlt, und alles tat weh. Bin dann auch ganz schnell raus aus der doofen Kiste. Alles fremd da draußen, niemand, den ich kannte. Mittelbronn, sagen die Leute; was immer es war, daheim ist anders.
In der Nacht hab ich so ein bisschen nach der Mama gejammert; zwei Menschen haben mich gesehen und gehört, aber ich konnte schimpfen wie ich wollte: Keiner hat mich heimgebracht. Ich bin übern Hof und ums Haus spaziert, aber ganz ehrlich: Richtig geheuer war mir das nicht. Ich wollte doch nur heim. Die eine Autokiste hat mich weggebracht, aber die war so schrecklich, da wollte ich nun wirklich nicht mehr rein, und dann dachte ich mir, dass mich eben ‘ne andere Autokiste heimbringt. Aber die war genau so furchtbar. Und viel länger unterwegs. Ich dachte echt, dass es das jetzt war. Als die Autokiste endlich, endlich anhielt und ich mich runterplumpsen ließ, war da immer noch Gestank und Lärm und ganz komisches Licht.
Was dann kam, ist so schlimm, dass ich nicht mal mehr dran denken mag. Ich hab gezittert oder geschrieen. Meistens gezittert und geschrieen in diesem riesigen Raum in dem überall U2 steht und alles voller Autokisten war. Die Schwester vom Chef schafft im Parlermarkt, hab ich gehört, und als sie endlich mitgekriegt hat, wer die kleine Katze in der Tiefgarage ist, ist sie die ganze Zeit rumgehüpft und hat versucht mich aus einer der Autokisten zu locken, in denen ich mich oft stundenlang versteckt hab. Ihre Freunde kamen und die haben auch gegurrt und geschmeichelt, nach mir gestochert. Als würde ich irgendjemandem trauen in diesem Höllenloch. Wenn’s zuviel wurde, hab ich halt die Autokiste gewechselt. In der mit Stern war ich lange Stunden, die mit den Pferden hat mich nicht reingelassen. Eine war viel zu hoch. Ich glaub ich war in mehr Kisten als ich Krallen hab.
Ganz viele haben
Hilfe angeboten
Da waren viele freundliche Stimmen, einige haben mitgesucht, Ablösung angeboten für eine Eispause, Getränke mitgebracht, Decken, Katzenfutter. Aber dann wurde es ganz spät und irgendwann war ich allein. Ich hab die ganze Nacht geheult und es war niemand da. Aber das war besser als der Radau an einem Morgen, den ich nur gefühlt hab, wie wir Katzen das tun, aber nicht gesehen. Denn in diesem Höllenloch gibt’s kein richtiges Licht. Und nur Zeug zu riechen, das in der Nase weh tut. Und nix zu trinken und zu essen, denn da hätte ich ja raus müssen aus meinen Schutzlöchern. Den ganzen Tag haben sich dann Leute abgewechselt, mit mir zu reden. Ich wollte aber doch nicht reden. Nur endlich nach Hause.
Laut war das. Ich kann das gar nicht sagen. Ein Gerassel und Geschepper und Gummiradieren und Aufheulen und Türenschlagen. Immer neue Besitzer von Autokisten wurden gesucht, Zettel geschrieben: „Achtung, Babykatze in Ihrem Motorraum“, Stunde um Stunde, und mir ging’s echt schlecht. Der Tierarzt hat dann wohl gesagt, ich sei kaum einzufangen, und er werde am nächsten Tag eine Lebendfalle aufstellen. Wie sich das schon anhört.Wie schlimm kann es denn noch werden. Die einen Menschen wollten längst für den Urlaub packen. Sina, die Schwester vom Chef, die wieder um mich rumturnte, wann immer es ging, war nach vielen Stunden auf dem Betonboden ziemlich fertig. Ich glaub, denen ging’s auch nicht so richtig gut. Aber sie hat was von Verantwortung gesagt. Auch die freundlichen Menschen vom anderen Abend kamen wieder, um Hilfe anzubieten oder auch nur um ihre Autokisten zu holen: „Sucht ihr immer noch?“ Nach was sieht’s denn aus. Lasst mich lieber hier raus. Ich hab so oft und so laut geschrieen: Hört mir denn keiner zu? Ich will raus hier.
Bis auf eine Frau sind irgendwann alle heimgegangen. Dann ging das Licht aus, was ich eher gut fand, und es wurde auch wieder still, aber ich hab nur noch geheult. So schlimmer Hunger und Durst. In der Nacht davor hab ich aus lauter Aufregung und Angst nur genippt von dem Wasser und der Milch, die aufgestellt waren. Die Frau ist auf bloßen Füßen immer um mich rumgeschlichen – das war blöd; ihre Absätze hätte ein Regenwurm hören können – oder saß in einer Ecke. Ich hab die Autos gewechselt wie wild, hab meine Runden gedreht und immer lauter geweint. Ganz still war’s. Als ich der Frau wieder mal ausweichen wollte, stand ich vor einem Gitter. Bin gerade so durchgekommen, aber da ging’s nicht weiter. Also irgendwann, viel später, doch wieder raus. Und da war die Frau. Griff nach mir. Ich wollte mich nochmal durchs Gitter quetschen, mit aller Kraft. Aber das war zu eng da. Aua! Und da hatte sie mich. Neiiiin. Ich will nicht sterben. Ich hab der meine Krallen und Zähne in die Hand geschlagen, hab gekämpft wie ein ganz großer Löwe, hat sie zumindest gesagt. Aber echt. Hat nur nix gebracht. Sie hat mich in einen kleinen Korb gesteckt. Und bald darauf konnte ich die Sterne sehen und was anderes riechen. Nix wie weg also. Aber ich konnte da nicht raus. Ich hab in dieser blöden Box die ganze Nacht verbracht. Da war noch ne andere Katze, aber die hat mich behandelt als hätte ich die Katzenpest. Na ja. Ich bin so oft durch Autokisten gekrochen — die sind alle dreckig unten drunter -, dass ich mich selbst nicht riechen konnte. Hab viel geweint. Wieder. Wenigstens gab’s was zu trinken. Eklige Wassermilch. – aber ich hab in der Nacht zwei große Schüsseln ausgetrunken. Die Frau ist dann weg. Ohne mich aufs Klo zu lassen. Ich musste aber doch. Ganz ganz dringend. Hallo! Ich musste doch mal! Na ja, ich hab mich dann beschmutzt. Ich weiß ja nicht, wie das für Menschen ist. Für Katzen ist das richtig, richtig schlimm. Alles aufs Tuch und auf mich, wegen der Aufregung. Und als ich’s zudecken wollte, ist die ganze Milch ausgelaufen. Ich hab mich in die Ecke gedrückt und die Augen zugemacht. Das war echt zuviel.
Sagt die Frau ich sei ein dummes kleines Mäusle. Menno. Ich bin ein Löwe. Auf jeden Fall eine Katze, die allerärmste auf der ganzen Welt. Ich war so fertig, dass ich nicht mal mehr gebissen hab, als sie mich rausgeholt hat. Sie hat mich dann sauber gemacht und mich eingewickelt und an sich gedrückt, als sie diese blöde Box sauber gemacht hat. Gar nicht sooo schlimm die Menschen. Fremd halt. Ganz laut und ganz langsam klopft bei denen das Herz. Das war irgendwie ok. Da war so ein leises Schnurren, und ich glaub, das war ich. Sie hat mich dann unter einem Blühbusch abgestellt. Hibiskus, sagte sie, damit ich was anderes in der Nase hab als Feinstaub und Abgase. Und da war’s dann gar nicht mehr so schlimm. Als es dann aber zum vierten Mal Abend wurde und sie mich in ihre Autokiste brachte, hatte ich endgültig die Schnauze voll. Hab richtig ordentlich gegoschelt.
Ganz ehrlich: Das war ätzend; aber nicht annähernd so schlimm, wie auf dem Motor zu reiten. Und außerdem hat mich Sina dann zur Mama gebracht. Zu meiner Mama. Wie gut. Hab mit dem Ärschle gewackelt vor lauter Freude. Und sofort getrunken bei ihr: Da schmeckt’s wirklich am besten. Mit meinen Geschwistern bin ich auch gleich losgezogen. Und geputzt haben sie mich. Ich hab geschlafen. Und nochmal bei Mama getrunken. Und zu allen hallo gesagt. Jetzt bin ich also wieder daheim. Wow, was ein Höllenritt. Und ich werde nie, nie wieder neugierig sein. Vielleicht ein bisschen. Aber den Autokisten geh ich aus dem Weg. Ehrlich.


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