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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

EKM-​Eröffnungsgottesdienst: Der Mut, Grenzen zu überschreiten

Über Musik und Hoffnungsbilder von Gottes Zukunft, aber auch über Krieg und Unrecht predigte Margot Käßmann im ökumenischen Eröffnungsgottesdienst des Festivals Europäische Kirchenmusik im Heilig-​Kreuz-​Münster.

Freitag, 18. Juli 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 22 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Der Eröffnungsgottesdienst fand gestern Abend statt, gestaltet von den Stuttgarter Hymnus-​Chorknaben unter der Leitung von Rainer Johannes Homburg. Wieder war das Münster übervoll mit um die 1000 Besuchern. Es erklangen Johann Sebastian Bachs Motette „Singet dem Herrn“, ein „Agnus Dei“ von Frank Martin und die Uraufführung des prämierten Vokalwerks aus dem 12. Internationalen Kompositionswettbewerb Zeitgenössische Geistliche Musik. Der Komponist Günter Berger wollte anwesend sein, musste sich aber in die Stauferklinik begeben. Münsterorganist Stephan Beck spielte auf der großen Klais-​Orgel (über die Uraufführung wird die RZ berichten).
Die „Reformationsbotschafterin“ des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017 stimmte gemeinsam mit Münsterpfarrer Robert Kloker und Dekan Immanuel Nau auf das Festivalthema „Paradies“ ein. Dem Kompositionswettbewerb war ein Text des Propheten Jesaja zugrunde gelegt: „Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh treiben.“ Von ihm ging Margot Käßmann aus.
Propheten trügen zum Verständnis der Gegenwart bei, sagte sie, Jesaja prangere an, was man auch heute kenne: Unrecht, Gewalt, Unterdrückung. Der Prophet wettere gegen den Krieg, „damals um den syrisch-​ephraimitischen, heute geht es um Krieg in Syrien, in Israel, Palästina, im Irak, im Südsudan.“ Deutschland sei unter den großen Waffenexporteuren. Darauf könne man nicht stolz sein. „In Frieden muss man investieren. Wer müsste diese Lektion besser gelernt haben als wir Deutschen 100 Jahre nach Beginn des Ersten und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs?“
Flüchtlinge seien „Botschafter des schreienden Unrechts in der Welt. Wir können sie nicht abweisen, ohne zu verraten, was die Bibel uns an Nächstenliebe und Fremdenfreundlichkeit mit auf den Weg gibt.“ Gerade im Themenjahr Reformation und Politik werde klar, dass es keinen christlichen Glauben gebe, der sich nicht im Alltag der Welt bewähre.
Zur Bedeutung der Musik sagte Käßmann, dass die Reformation „auch eine Singebewegung“ gewesen sei. Singen verbinde über Konfessionsgrenzen hinweg, „Luthers Lieder finden sich heute im katholischen Gesangbuch.“ Sie pries die therapeutische Wirkung des Singens, „zweckfrei, ökonomisch nicht messbar“, aber der Gesundheit förderlich – und Grenzen überschreitend. Die Predigerin erinnerte an den Film „Der Pianist“, wo ein polnischer Jude, hervorragender Klavierspiele, von einem deutschen Offizier im Versteck versorgt werde, „weil der Offizier begreift: diese Musik ist bewegend – alles Ideologie von Rassenwahn und Nationalismus kann das nicht zerstören.“
Zur Hoffnung verwies sie auf Luthers Rechtfertigungslehre, auf Gnade und Glaube: „Nichts was du tust oder leistest bringt dir einen gnädigen Gott, sondern du musst dich ganz auf die Gnade Gottes verlassen.“ Christliches Gottvertrauen kenne Zweifel, „es glaubt geradezu trotzig gegen diese mögliche Erschütterung an.“ Die Verbindung zwischen dem, was wir erlebten und dem, was sein wird, gehöre zur christlichen Existenz. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod könne auch entlasten. Den Sinn des Lebens müsse man nicht ständig erkämpfen, wenn man sein Leben in größeren Zusammenhängen sehe.
„Am Ende geht es darum, dass Gottes Reich im Hier und Jetzt beginnt und wir uns darauf einlassen.“ Hoffnungsbilder hätten Menschen immer getragen durch die Wüsten des Lebens. Margot Käßmann: „Ich möchte nicht in einer Welt ohne Prophetie leben, die offenlegt, wo wir falsche Wege gehen, wie es die Kirchen tun mit ihren Rüstungsexportberichten.“ Und: „Prophetien, Träume und Visionen machen uns stark, gegen die Wirklichkeit, diesen ewigen Realismus anzudenken und anzuleben.“

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