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Emma und Jakob Tiessen aus Gschwend feiern am Dienstag ihre Diamantene Hochzeit

Sie hatten es wahrlich nicht einfach und wenn Emma und Jakob Tiessen auf die vergangenen 60 Jahre zurückblicken, dann ist es nur eines, was ihnen ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht versetzt: die gemeinsamen Erlebnisse.

Montag, 01. September 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 29 Sekunden Lesedauer


GSCHWEND (nb). In solchen Minuten ist die Erinnerung an all das Schlechte, das ihnen im Leben widerfahren ist, gänzlich verschwunden. Und in diesen Minuten erübrigt sich dann auch die Frage, was ihnen einst so viel Kraft gegeben hat.
Aufgewachsen sind beide in zwei kleinen Dörfern in der Ukraine, die jedoch Hunderte von Kilometern voneinander entfernt lagen. Begegnet sind sie sich erst ein paar Jahre später – nach einer „Reise“, die viel Leid bedeutete und an einem Ort, an dem nur wirklich eines gut war: dass sie sich kennenlernten und zueinanderfanden.
Beide Familien wurden vertrieben; Jakob Tiessen 1943 mit der Mutter und der Schwester nach Polen; die junge Emma Mehlhaff kam 1944 mit ihren Eltern und den sieben Geschwistern ebenfalls zunächst nach Polen, dann ins ostdeutsche Wittenberg. 1952 dann, beide waren 23 Jahre alt, trafen sie sich zum ersten Mal: im Zwangslager in Sibirien. Um Torf zu gewinnen, mussten sie dort harte Waldarbeit verrichten.
Für Jakob Tiessen war es Liebe auf den ersten Blick. „Sie war schee und vernünftig“, schwärmt er noch heute von seiner Liebsten, deren Herz er sich erobern musste. Wie er das gemacht hat? „Er hat keine Ruhe gegeben“, schmunzelt Emma Tiessen, deren Fröhlichkeit, die ihr Mann von Anfang an so sehr liebte, auch heute noch allgegenwärtig ist. Dass er seine Emma, nachdem er ihr Herz erobert hatte, nie mehr hergeben würde, stand jedenfalls ziemlich schnell fest und am 2. September 1954 wurde das Glück besiegelt: die Beiden heirateten und dafür war zunächst einmal ein kleiner Fußmarsch notwendig. Das Standesamt nämlich befand sich zehn Kilometer vom Wohnort entfernt. Und sie waren in Begleitung: Emma Tiessens Zwillingsschwester heiratete nämlich am selben Tag. Ähnlich sahen sich die beiden nie, bis zur Hochzeit trugen sie jedoch stets dieselbe Kleidung.
Das eigentliche Hochzeitsfest einige Zeit später fand zuhause statt; mit Leckereien, die Emma Tiessens Mutter gekocht hatte. Hühnersuppe, Fleischküchle, Kartoffelpüree, Kaffee und Kuchen – es war einer der wenigen Tage, an dem alle einfach nur eines waren: wunschlos glücklich. Ein noch größeres Geschenk wurde ihnen zuteil, als sie 1957 nach Kirgisien auswandern durften; zwei der Kinder – ein Sohn und eine Tochter – waren bereits auf der Welt. In der neuen Heimat dann erblickte der jüngste Sohn das Licht der Welt. Arbeit fand das Paar in einer Zuckerfabrik.
Im Oktober 1990 dann machte sich die kleine Familie von Kirgisien auf den Weg nach Gschwend, wo sie noch heute leben. Dass Emma Tiessen teils Tränen in den Augen hatte, als sie an dem Tag ihrer Ankunft im Ostalbkreis aus dem Autofenster blickte, zeigt, wie sehr die Zwangsarbeit in Sibirien auch Jahre später noch traumatisierte. Denn allein der Anblick eines großen Waldstückes genügte, um Traurigkeit einkehren zu lassen.
Und auch wenn Beide in den folgenden Jahren gemeinsam mit den Kindern die Gegend erkundeten und viele Ausflüge unternahmen: in den Wald ist Emma Tiessen nie mitgegangen.
Dass sie trotz der schweren Zeit, die sie und ihr Mann erlebt haben, nichts von ihrem fröhlichen Wesen verloren hat, liegt nicht zuletzt an der Familie, die großen Halt gab und gibt. Hierzu gehören auch die sieben Enkel und die fünf Urenkel. Einen festen Platz in ihrem Leben hat auch die Zugehörigkeit zur Gemeinde für Christus in Gschwend. Groß gefeiert wird die Diamantene Hochzeit nicht. Sie werden im kleinen Kreis auf die vergangenen 60 Jahre zurückblicken – mit den Menschen, die ihnen am meisten am Herzen liegen: der Familie.

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