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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Damit Sucht nicht Endstation ist. Telefonaktion am kommenden Donnerstag von 14 bis 16 Uhr: Ganz unverbindlich Rat, Hilfe und Vermittlung anbieten

Wenn Menschen bei Beratungsstellen Hilfe suchen, liegen meist leidvolle Monate und Jahre hinter ihnen. Am kommenden Donnerstag gibt eine Telefonaktion die Möglichkeit, ganz unverbindlich Rat einzuholen. Caritas, Diakonie, Sozialberatung und die Tagesklinik für Suchttherapie sind dabei.

Donnerstag, 11. Juni 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). „Kann ich meinem Vater seine Weinflaschen wegnehmen, er hat doch sonst keine Freude.“ „Ich hab heut schon dreimal Essen erbrochen, und schon während ich heimlich die Buffet-​Reste in mich reinstopfe, denke ich an nichts anderes, als daran, dass ich nachher wieder würgend über der Schüssel hänge; ich wünsche, ich wäre tot.“ „Mein Sohn lebt nur noch in seiner Fantasie-​Welt; der Computerheld, der für ihn Schlachten schlägt, ist für ihn realer und viel wichtiger als alles andere.“ Sucht hat viele Gesichter. Allen gemeinsam ist das Leid, das sie über Familien bringt.
Abhängigkeiten von Alkohol, illegalen Drogen, von Glückspiel und Computerspielen, so unterschiedlich sie sein mögen, teilen sich einige Merkmale: Kontrollverlust gehört dazu, oft die Dosis-​Erhöhung – immer mehr, immer öfter –, dass das Suchtthema die Gedankenwelt bestimmt und ein Leben ohne kaum vorstellbar scheint. Allen gemeinsam ist auch, dass Angehörige hilflos sind: Familie und Freunde können nicht gegen die Sucht angehen, war gestern Tenor; sie verlängern nur das Leiden, weil sie aufrecht halten, Folgen abfangen, verheimlichen, und sie werden selbst erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Faustregel „je früher Menschen Hilfe suchen desto besser“, erklärt sich von selbst.
Für rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland mit problematischem, „missbräulichem“ Trinkverhalten gibt es oft den Weg des kontrollierten Konsums; für die 1,7 Millionen Abhängigen bleibt meist nichts als die Abstinenz. In Gmünd gibt es viele Möglichkeiten dabei Hilfe zu finden. Regina Abele-​Rathgeb stellte gestern die ambulante Rehabilitation vor, die unter bestimmten Bedingungen und durchaus mit beachtlichen Erfolgen eine stationäre Therapie ersetzen kann. Wie bei jeder Sucht geht es darum, so gestern die Experten, „mit sich ins Reine zu kommen“, zu einem guten, intensiven Leben ohne den „Kick“ der Sucht zu finden. All denen, die sich das nicht vorstellen können, sagen die Therapeuten der Gmünder Einrichtungen anhand hundert-​, tausendfacher Erfolgsgeschichten: „Sucht ist keine Endstation.“ Nur dass es einfach wird, das hat niemand gesagt.
Alkohol wird zur Not weglassen – bei der zunehmenden Zahl junger Frauen mit Mager– oder Ess-​Brech-​Sucht – nicht selten geboren aus anderen Problemen, etwa der Angst, Konflikte auszuhalten – sieht das ganz anders aus; die Betroffenenen müssen lernen, wieder mit Freude zu essen. Zu genießen. Den eigenen Körper zu manipulieren, sich dünner zu hungern als die Freundinnen, als sichtbarer Beweis dafür, „ok“ zu sein, das taugt nicht als Lebensentwurf und führt wie jede andere Sucht in körperliches, psychisches, soziales oder/​und wirtschaftliches Desaster.
Bei der Vorstellung der Telefonaktion am kommenden Donnerstag kamen gestern viele Bereiche von Sucht und Suchthilfe zur Sprache, bis hin zu Problemen, die beim Cannabis-​Konsum auftreten können, oder zu den Legal Highs, die mittlerweile sehr häufig zu finden sind – immer neue psychoaktive Kräutermischungen, Lufterfrischer, Badesalze. Vielfach enthalten sie Rauschmittel oder generell schädliche Wirkstoffe.
Ganz wichtig sind die „vergessenen Kinder“ der Alkoholkranken, die selbst dringend der Hilfe bedürfen – und für die es durchaus Hilfe gibt. Das ambulante Therapieprogramm CleanStart der Sozialberatung in Kooperation mit anderen Einrichtungen bietet Abhängigen illegaler Drogen eine Alternative zur stationären Rehabilitation; wie beim Thema Alkohol ist selbstständige Bewältigung des Alltags die Grundlage für den Behandlungserfolg; Beruf, Schule, Praktikum, Kinderbetreuung etc. sind dabei nicht ganz aus der Welt. Dann gibt es noch die Möglichkeiten der Tagesklinik im Margaritenheim mit Möglichkeiten des Entzugs und vor allem der Therapie mit Motivationsbehandlung und der Behandlung psychischer Begleiterscheinungen.

Zum Bildtext: Kompetenz in ganz unterschiedlichen Bereichen der Suchtthematik: Heiko Strese und Geschäftsführer Dieter Strobel von der Sozialberatung, Diakonin Sylvia Caspari, Geschäftsführerin des Kreisdiakonieverbands, Regina Abele-​Rathgeb, Leiterin Monika Mayer und Ruth Rothenberger von der Caritas und Samer Schleusener, Facharzt für Suchtmedizin in der Tagesklinik für Suchttherapie im Haus der Gesundheit (Margariten-​Hospital)

Die Psychosoziale Beratungsstelle der Caritas Schwäbisch Gmünd informiert am 18. Juni von 14 bis 16 Uhr in der Telefonaktion rund um das Thema Sucht unter Tel. 0 71 71 1 04 20 20 zur Ambulanten Rehabilitation für Betroffene, die – unter anderem – seit mindestens sechs Wochen abstinent sind, Angebote für Kinder aus Suchtfamilien, Hilfen bei Essstörungen, Kurse nach Führerscheinentzug bei Alkohol.

Unter Telefon (0 71 71) 1 04 68 40 berät am Donnerstag die Psychosoziale Beratungsstelle der Diakonie Gmünd. Christina Perse-​Tschirdewahn und Isabelle Fister informieren von 14 bis 16 Uhr ebenfalls über das Thema Führerscheinentzug bei Alkohol und/​oder Drogen. Sucht im Alter ist ein ganz wichtiges Thema, ebenso Glücksspielsucht; auch hier sind Betroffene und Angehörige gleichermaßen angesprochen.

Bei der Sozialberatung Schwäbisch Gmünd e. V. kann man sich am Donnerstag unter (0 71 71) 60 55 60 zu den Themenbereichen illegale Drogen, Mediensucht, Internetsucht und Legal Highs informieren. Thema hier ist auch die häufige Verlagerung von Sucht. Das bedeutet, dass illegale durch legale Drogen ersetzt werden, dass eine frühere Bulimie wieder aufleben kann – dass Suchtverhalten nicht leicht aufzugeben ist.

Die Tagesklinik für Suchttherapie am Haus der Gesundheit in der Weißensteiner Straße informiert unter Tel. 0 71 71 796 64 48 90 zu den Themenbereichen Motivationsbehandlung, Behandlung von Psychischen Begleiterkrankungen (z. B. Depression, Angst, Burnout etc.), tagesklinischer Entzug. Auch hier gilt, dass es zur früher unvermeidlichen stationären Therapie vielversprechende Alternativen gibt.






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