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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Verhältnis von Auto– und Fahrradfahrern: „Pedalritter und Poser“

Warum nur ist das Miteinander der Verkehrsteilnehmer in den letzten Jahren zunehmend einem Gegeneinander gewichen. Es geht vor allem um das Verhältnis zwischen Auto– und Fahrradfahrern. Als jemand, der sehr gerne mit dem Drahtesel unterwegs ist, wenn es aber sinnvoll erscheint, auch Auto fährt, öffnet sich die Wahrnehmung aus beiden Seiten. Das ist Thema der aktuellen Marginalie, die immer am Wochenende in der RZ erscheint.

Samstag, 09. Oktober 2021
Nicole Beuther
2 Minuten 10 Sekunden Lesedauer

Es fällt vor allem auf, wie aggressiv die Stimmung geworden ist. Etwaige versehentliche Fehler des jeweils anderen werden nicht mehr mit einem verständnisvollen Lächeln oder wie einst mit dem erhobenen Zeigefinger quittiert, sondern mit Hup– und Fluchkonzerten. Fenster runter und gib dem Radler Saures, denn diesen selbsternannten Pedalrittern wollte man doch schon längst mal die Meinung sagen. Der Zeigefinger von früher ist dem Stinkefinger von heute gewichen. Umgekehrt hat sich auch bei einer wachsenden Gruppe von Radlern eine Art missionarische Haltung eingeschlichen: Man wartet nur so auf eine Gelegenheit, um sich als Opfer von rücksichtslosen Autofahrern wiederzufinden, um dann als Verkehrswender und Klimaschützer die Übeltäter zu belehren. Die bunteste Blüte ist ja die, wenn manche Fahrradfahrer als Selbstschutzmaßnahme mit einer riesigen Plastikwurst auf dem Gepäckträger unterwegs sind, um Blechkutscher auf die eineinhalb Meter Abstand beim Überholen hinzuweisen.
Bei Konflikten ist der Autofahrer im Vorteil, weil er seine Hupe als schlagkräftiges Mittel einsetzen kann, um die Fahrradklingel ‘zigfach zu übertönen. Die Aufrüstung im Kalten Krieg zwischen Rad und Auto schreitet jedoch fort. Neuerdings gibt es sogar Signalinstrumente für Pedalritter, die Hörnern und Sirenen von amerikanischen Polizei– oder Feuerwehrfahrzeugen gleichkommen. Da hört es sich bescheiden an, wie einstmals der Gmünder Radlerpräsident Rainer Aichele den Verkehrsminister in Bonn mit der Sondergenehmigung für eine neuartige Radlaufglocke nervte.
Die merkwürdige Wut aufeinander im täglichen Verkehrsgeschehen gipfelt in üblen Tricks, wonach Autofahrer die Scheibenwischerdüse rechts so eingestellt haben, damit sie ungeliebte Fahrradfahrer sozusagen unter Wasserpistolen-​Beschuss nehmen können. Dafür gibt’s auch immer wieder Hinweise und Erzählungen, dass bedrängte Radler im Vorbeifahren einfach mal kurz mit dem Fuß gegen das Heilixblechle treten.
Die Rüstungsspirale im Gegeneinander lässt sich auch daran erkennen, dass an Radler-​Helmen immer häufiger Kameras montiert sind, um nicht etwa Downhill-​Abenteuerfahrten, sondern Sünden der anderen Verkehrsteilnehmer zu dokumentieren. Das wirkt verständlich, weil neuerdings besonders gerne Aktivisten der Auto-​Posingszene lachend und feixend auch in der Innenstadt regelrecht Jagd auf Biker machen, dicht und knapp auf– und vorbeifahren und mit Böllerschüssen aus dem Auspuff erschrecken.
Im Gemütszustand vieler Verkehrsteilnehmer hat sich also irgendetwas verändert. Es gab einmal mehr Gelassenheit. „Kavalier der Straße“, so hieß mal eine Kampagne mit Auszeichnung für besondere Leistungen und selbstverständliche Tugenden in Sachen gegenseitige Rücksichtsnahme. Stattdessen vergeht auch im Gemeinderat kaum noch eine Sitzung, ohne dass hochpolitisch und emotional darüber gestritten wird, wem der Straßenraum gehört.
Was wäre, wenn es nur noch Radfahrer gäbe? Beispiele dafür gibt es auf Nordseeinseln. Da war unlängst Kommunalwahl. Grüne Bewerber traten dort mit Versprechen an, endlich Ordnung in das zunehmende Drahtesel-​Parkplatzchaos auf der Insel zu bringen und Fahrrad-​Posern mit getunten E-​Bikes den Kampf anzusagen. Klepperle

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