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Andrea Stippel nach dem Berlin-​Marathon und vor dem Gmünder Rechberglauf am kommenden Samstag

Über 40 000 Läuferinnen und Läufer waren vor einigen Wochen beim Berlin-​Marathon am Start. Darunter auch einige aus dem Gmünder Raum, wie zum Beispiel Andrea Stippel aus Waldstetten.

Donnerstag, 22. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Im Sport ist es so, dass meistens nur die Sieger im Licht stehen, über Besiegte oder Verlierer spricht und schreibt man kaum. Wen interessiert es schon, wenn eine Frau unter 9000 Starterinnen auf Platz 3881 landet? Doch beim Marathonlauf oder auch beim Triathlon sind alle Sieger, die ins Ziel kommen. Und so widmen wir diesen Bericht eben der Frau mit der Startnummer F-​7160, Andrea Stippel aus Waldstetten.
Sportlich war sie schon immer: Mit elf Jahren hat sie mit dem Handballspielen in Wissgoldingen begonnen, danach aktiv gespielt, bis sie mit 22 Jahren eine „Babypause“ einlegte. Zehn Jahre später hat sie noch einmal vier Jahre „ausgeholfen“, zwischendurch Tennis gespielt oder auch mal joggen gegangen. Sie konnte in dieser Zeit keinen „zeitlich geregelten Sport“ ausüben. Die Kinder hatten Vorrang – und „mein Mann war fast nie zu Hause“, sagt sie. Ach ja, ihr Mann, das ist Fußballtrainer Norbert Stippel, und sein „Revier“ das kennt in Sportlerkreisen jeder.
Später hat Andrea Stippel die Kinder zum Sport mitgenommen, ehe die beiden Mädchen ihre eigene Sportart entdeckt haben. Laufen ist für Andrea Stippel die Sportart, die man zeitunabhängig machen kann. Zu jeder Jahreszeit und zu jeder Tageszeit.
Vor zwei Jahren dann der erste „Test“ unter Wettkampfbedingungen: Die Familie Stippel ging beim Gmünder Albmarathon über die 50 Kilometer in der Familienstaffel an den Start. Vater Norbert lief die ersten 17 Kilometer, Tochter Caroline die nächsten acht, Andrea danach 20 Kilometer und die letzten fünf absolvierte Tochter Laura. Und dabei ist Mutter Andrea auf den Geschmack gekommen. Sie hat im vergangenen Jahr den Rechberglauf über 25 Kilometer in 2;51 Stunden absolviert. „Wenn ich das überstehe, schaffe ich auch einen Marathon“, hatte sie damals gesagt. Deshalb hat sie sich im Sommer den Gmünder DJK-​Läufern angeschlossen, die sich auf den Albmarathon vorbereiten. „Dabei bin ich die einzige Frau“, sagt sie und ist den Männern dankbar, dass man sie „mitschleppt“. Eine Trainingseinheit geht über 20 Kilometer, zweimal in der Woche läuft Andrea Stippel noch 15 bis 20 Kilometer extra. Und sie hat sich auf den Berlin-​Marathon bewusst mit dem Training auf der Straße vorbereitet. Auf der Trasse von Waldstetten, Straßdorf nach Rechberghausen.
Im Januar ist Andrea Stippel 40 geworden. Ihr Mann hat ihr das Berlin-​Ticket für den Marathon zum Geburtstag geschenkt. Flug, Übernachtung, alles, was dazu gehört. Und auch Norbert Stippel war angemeldet. Doch der Fußballtrainer hatte „keine Zeit“ zum Mitlaufen. „Er hat ganz einfach gekniffen“, sagt Andrea heute. Beide hatten nämlich einen Zehn-​Wochen-​Trainingsplan, den Norbert nicht einhalten konnte. Er hat nicht konsequent trainiert, Krämpfe bekommen und „den Anschluss verpasst“.
Dann kam der große Moment in Berlin: 40 263 Läufer/​-​innen am Start. In Gruppen wurden sie losgeschickt, die ersten fünf oder sechs Kilometer war das kein Laufen, sondern nur ein Geschubse, erinnert sich Andrea Stippel, die aber bald ihren Rhythmus fand und schön gleichmäßig lief. Die größte Gefahr war an den gigantischen Versorgungsstationen, wo oft mehr Flüssigkeit über sich weggegossen wurde als in sich hinein. Laufen und Trinken gleichzeitig ist eben problematisch. Und danach marschierte man über tausende von Plastikbechern hinweg.
Die kritische Marke für Andrea Stippel war bei Kilometer 30 – hiervor hatte sie Respekt, weil sie noch nie mehr gelaufen ist. Aber es ging gut. Sie hatte nie das Gefühl, es nicht zu schaffen. Die Zuschauer sorgten für eine so tolle Stimmung, dass man sich so richtig angetrieben fühlte. Je näher sie zum Ziel kam, um so leichter lief sie. „Die Leute tragen einen ins Ziel“, sagt sie hinterher und verschweigt nicht, dass das schon ein irres Gefühl war, unter den Linden zum Brandenburger Tor ins Ziel zu kommen. Ja sie habe eine Gänsehaut bekommen, habe sogar Tränen im Gesicht gehabt. Ihre Laufzeit war ihr in diesem Moment egal. Im Ziel und glücklich, ein einmaliges Erlebnis.
Im nächsten Jahr will sie wieder irgendwo einen Marathon laufen. „Vielleicht in New York“, sagt sie und spielt mit dem Gedanken, ihrem Mann zum 50. Geburtstag die Teilnahme zu schenken. „Wenn der nicht wieder kneift!“
Ihr Training hat sie aber auch in den letzten Wochen fortgesetzt. Schließlich will sie am kommenden Samstag wieder den Rechberglauf über 25 Kilometer absolvieren. Und dabei ihre Marke vom letzten Jahr verbessern. Ach ja, ihre Zeit von Berlin: 4;34,51 Stunden. Aber die war ja egal.

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