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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Durch die Wüste: Exkursion des Realschullehrerseminars nach Tunesien

Anlässlich des 25-​jährigen Jubiläums des Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerbildung (Realschulen) bot der Fachbereich EWG im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme in Kooperation mit Geopuls eine Exkursion nach Tunesien an.

Donnerstag, 26. November 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (tl). 26 ehemalige Referendare sowie Mentoren, Schulleiter und Mitarbeiter des Seminars waren in den Herbstferien auch abseits der üblichen Touristenziele unterwegs, um den Kulturraum Orient und den Naturraum Wüste zu erleben und Erkenntnisse für ihren Unterricht vor Ort zu gewinnen.
Getreu dem Motto „Des Geographen Anfang und Ende ist und bleibt das Gelände“ wurden im Verlauf der Rundreise verschiedene räumliche Schwerpunkte gebildet und die wesentlichen Natur– und Landschaftsräume Tunesiens erkundet: Das zentraltunesische Steppenland um Gafsa, die Region der Bergoasen um Tamerza, die Wüstenregion bei Douz sowie die orientalischen Städte Kairouan und Tunis. Den Auftakt bildete die heilige Stadt Kairouan und die Besichtigung der Sidi Oqba Moschee, die im achten Jahrhundert gebaut wurde und sich in ihrer Form am Haus des Propheten Mohammed in Medina orientiert. Gespräche mit dem tunesischen Reiseführer über Gebetszeiten, rituelle Waschungen oder die fünf Säulen des Islam erhöhten nicht nur das Wissen um Kultur und Religion, sondern tragen durch den interkulturellen Dialog zu einem besseren gegenseitigen Verständnis bei.
Dies bildet dann auch die Grundlage für eine interkulturelle Erziehung in der Schule, um einseitige Bilder zu relativieren und Fremdverstehen zu ermöglichen. Bei einem Gang durch die Gassen der Medina wurde sehr bald deutlich, dass es auch in Tunesien ein Nebeneinander verschiedener Lebensformen gibt, und enge Jeans und offene Haare ebenso häufig zu sehen sind wie Kaftan und Kopftuch.
Auf dem Weg in den Süden zeugen Reste einer Basilika und mehrere Taufbecken in der antiken Stadt Sbeitla vom Fußfassen des Christentums in der arabischen Welt im dritten Jahrhundert. Die Fahrt mit dem berühmten historischen Salonzug „Lezard Rouge“ durch die imposante Seldja-​Schlucht bis zum Phosphaterz-​Verladebahnhof konnte leider nicht stattfinden, da Tunesien Ende September von ungewöhnlichen Regenfluten heimgesucht wurde. Zwischen 50 und 100 Liter Wasser pro Quadratmeter, mehr als die sonst übliche Menge mehrerer Monate, prasselten vom Himmel und verwandelten sonst trocken liegende Wadis in reißende Ströme. Die Folge waren enorme Erosionen, welche auch die Bahnstrecke zerstörte, und es wurde klar, dass Wasser neben Temperatur und Wind ein enorm prägender Faktor für die Entstehung des Formenschatzes der Wüste ist.
Glücklicherweise waren die Niederschläge nicht so heftig wie 1969, als eine Hochwasserkatastrophe die Bergoasen Tamerza, Mides und Chebika komplett zerstörten. Heute noch sind die Ruinen dieser ehemaligen Oasen zu besichtigen während die Bewohner neue Oasensiedlungen gründen mussten. Mehrere Wanderungen in den imposanten Schluchten solcher Felswadis boten Gelegenheit geologische Themen wie beispielsweise Verwitterungsformen in Trockenklimaten, anschaulich zu besprechen. Zwei solcher Wadis haben weltweiten Bekanntheitsgrad erreicht, weil dort einzelne Szenen des Science-​Fiction-​Films „Krieg der Sterne“ beziehungsweise „Der englische Patient“ gedreht wurden.
Die Oasenstadt Touzeur bildet das „Tor zur Wüste“. Die Stadt ist überwiegend vom Tagestourismus geprägt, da Pauschaltouristen, die in Djerba oder Hammamet ihren Badeurlaub verbringen, einen kurzen Abstecher in die Wüste machen. Dieser Segen ist gleichzeitig aber auch ein Fluch. Der hohe Wasserverbrauch der Touristen verursacht einen Wassermangel in den Oasen beziehungsweise zwingt zu immer tieferen Bohrungen und zur Erschließung fossiler und damit endlicher Wasserreserven. Gleichzeitig ist die Auslastung der Hotels insgesamt relativ niedrig.
Auf dem weiteren Weg nach Süden breitet sich der Schott El Djerid aus. Während die Salzwüste dem literarischen Helden „Kara Ben Nemsi“ in Karl Mays „Durch die Wüste“ fast zum Verhängnis wird, kann sie heute auf einer Dammstrasse bequem überquert werden. Aber selbst im Herbst war in dieser abflusslosen Salztonebene die Hitze immer noch so stark, dass man mehrere Fata Morganas sehen konnte.
In der Oasenstadt Douz ging es um die Oasenwirtschaft mit dem Stockwerkbau und verschiedene Bewässerungstechniken. Der traditionelle Oasengarten wird heutzutage ergänzt durch riesige Palmenplantagen, die Datteln für den Weltmarkt produzieren, allerdings ein eintöniges Landschaftsbild verursachen. Und mancher Oasenbauer bessert sein Einkommen auf, indem er sich darauf eingestellt hat, Touristen ein Oasenpicknick mit landestypischen Spezialitäten anzubieten. Im Kontrast dazu konnte man bei einem Gang durch El Faouar feststellen, dass Arbeitslosigkeit und soziales Elend in vielen Oasen ein großes Problem darstellen. Darüber hinaus führt das Auflassen von Oasengärten zur Versandung und schließlich zur Zerstörung von Oasen. Am Rande der Sahara durfte ein Ritt auf einem Dromedar hinaus in die abendliche Wüstenlandschaft mit ihren beeindruckenden Sanddünen nicht fehlen.
Den Abschluss der Exkursion bildete die Hauptstadt Tunis, an der sich viele Elemente einer typisch orientalisch-​islamischen Stadt aufzeigen lassen. In der Altstadt, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, konnten die Exkursionsteilnehmer in den gedeckten Souks der Medina zum letzten Mal ihr Verhandlungsgeschick einsetzen. Auch wenn die Medina von der zentralen Ölbaummoschee aus nach klaren Prinzipien gegliedert ist, so verliert man als Europäer in dem Gassengewirr, das häufig in Sackgassen endet, leicht die Orientierung.
Geprägt durch die eigene Anschauung vor Ort und mithilfe eigener Fotos werden die Teilnehmer der Exkursion ihren Schülerinnen und Schülern künftig nicht nur ein zeitgemäßes und realistisches Bild der Wüsten und Oasen vermitteln können. Sie werden aber auch die eigene Faszination in den Unterricht mit hinein nehmen und Schüler dadurch motivieren. Darüber hinaus hat die gemeinsame Exkursion aber auch dazu beigetragen, an der Ausbildung von Lehrern Beteiligte zusammenzuführen und dadurch den personalen Bezug zu stärken.

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