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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Klage gegen die Stadtverwaltung: Dem Spielplatz an der Kimpolunger Straße droht das Aus

Der einzige Spielplatz samt Grünfläche in der Südstadt soll per einstweiliger Anordnung so unattraktiv wie nur irgend möglich gemacht werden — und 223 Südstadtbewohner setzten sich mit ihrer Unterschrift für die lieb gewordene Anlage ein.

Donnerstag, 18. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Seit wann es den Spielplatz an der Kimpolunger Straße gibt? Das weiß niemand so genau. Nur dass schon die Großeltern der jetzigen Nutzer dort gekickt haben. Der Platz ist unverzichtbar. Sagen sie in der Südstadt. Nun gibt es aber einen Nachbarn — der gestern nicht mit der RZ sprechen wollte -, dem dieser Platz ein Dorn im Auge ist, seit er hergezogen ist; davon zeugen zumindest zahlreiche Anrufe bei der Polizei. Die Jungs hatten nur noch Ärger an ihrem Bolzplatz, zu dem es aber nun mal keine Alternative gibt. Immer nachdrücklicher forderte der Mann dessen Schließung. Das Recht war auf seiner Seite: Wer älter ist als 14 Jahre, hatte dort nichts verloren. Die Jungs aber, die fast täglich spielten, waren 2009 16 und 17 Jahre alt. Weil das Geräusch des Fußballs im Eisengitter auch andere Anlieger störte, wurde nach Krisengesprächen mit Eltern beschlossen, dieses Tor abzubauen und den Bolzplatz zu einer allgemeinen Grünfläche umzuwidmen — wie der Stadtgarten darf der Platz damit von 7 bis 20 Uhr genutzt werden, von Menschen jeden Alters.
Parallel wurde der Spielplatz umgestaltet und mit einem kleinen Streetballplatz, einem Kletterfelsen und neuer Spielkombination deutlich aufgewertet. Aber der Verlust des Tores wog schwer, stieß auch nicht überall auf Zustimmung — doch es war ein Kompromiss, mit dem die Südstadt leben konnte. Vor allem weil in Zusammenarbeit mit Jugendhaus und TV Lindach ab und zu samstags kleine Tore aufgestellt werden.
Der Mann machte weiter: Unter anderem verlangte er einen Zaun ums Gelände — das wurde mal in Stuttgart gemacht, und im so entstandenen „Käfig“ wollte sich bald niemand mehr aufhalten. Jugendliche, die auf dem Spielplatz ihre kleinen Geschwister beaufsichtigen, wurden, so eine Mutter, angeschrien und völlig verunsichert. Andere klagen darüber, dass sie, bzw. ihre „Zuwiderhandlungen“ fortwährend fotografiert und gefilmt würden. Syvia Di Gianni etwa sagt, der Mann habe ihre Tochter tyrannisiert; ihre Schwägerin Angela ist schließlich losgezogen und hat über 200 Unterschriften für den Platz gesammelt.. Nach vielen gescheiterten Gesprächen reichte der Mann schließlich beim Verwaltungsgericht eine Klage gegen die Stadtverwaltung ein: Der Streetballplatz müsse mit sofortiger Wirkung geschlossen werden, die Nutzung der Grünfläche begrenzt und der Spielplatz als Abenteuerspielplatz eingestuft — was mit erheblichen Einschränkungen einherginge; unter anderem dürfte der Spielplatz dann nur von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, sonn– und feiertags gar nicht mehr aufgesucht werden. Weil das Ganze eine unzumutbare Beeinträchtigung bedeute, und er auf die Hauptverhandlung nicht warten will, forderte der Mann eine einstweilige Anordnung
Die Südstadt wehrt sich — ebenso Bürgermeister Bläse
„Der macht uns das Leben richtig schwer“, sagt Bürgermeister Dr. Joachim Bläse in nie gehörter Offenheit. Die Menschen in der Südstadt, die dort selbst als Kinder gekickt hätten, könnten nicht verstehen, was hier geschehe. Was dem Juristen aber wirklich Bauchschmerzen macht: Die Vorstellung, ein „Betreten verboten“-Schild an der Grünfläche aufstellen zu müssen. Für ihn wäre das, erklärte er der RZ, „die Bankrotterklärung einer Gemeinschaft“. Eben erst habe er mit über 200 Südstädtlern an einer Martinsfeier teilgenommen — in dieser Gemeinschaft, die so viele Ideale lebe. Ganz bewusst hat er die Fragen der RZ beantwortet: „Es geht auch um eine öffentliche Diskussion darüber, was zu einem Gemeinwesen gehört und wie ernst es einer Stadt ist mit Familienfreundlichkeit.
Mirko Giallorenzos Mutter sagte, dass ihr Junge auf diesem Platz spielt, seit die Familie in die Südstadt gezogen ist. Da war er sechs. Im Sommer kommen hier bis zu 20 Jungs im Alter zwischen 12 und 17 zusammen. Nicht weil der Platz eine Offenbarung ist: Auf Holzschnitzeln kicken, ist, vor allem bei Nässe, ziemlich bescheuert; sogar auf Schnee, sagt Mustafa Gercek, spielt es sich besser. Aber es gibt nichts anderes. Zwischen Südbahnhof, Zeiselberg, Klarenberg und Pfeilhalde leben 5000 Menschen, doch Jugendliche haben hier keinen Platz, an dem sie geduldet sind. Rouven Gross, Mustafa, Mirko und ihre Freunde haben lange gesucht. Schließlich dachten sie, wenn sie eine Grünpatenschaft übernähmen, wenn sie den Platz nur sauber genug hielten, würde das zu ihren Gunsten ausgelegt. Bis heute kümmern sie sich darum. Längst haben sie Unterstützer gefunden. Stadtteilkoordinatorin Birgit Schmidt und Bürgermentor Peter Arnold brachten alle an einen Tisch, immer wieder; sie versuchten zu vermitteln, zu versöhnen.
Nach Klagen über nächtliche Ruhestörer und Randalierer in der Anlage hat der Kommunale Ordnungsdienst Bürgermeister Bläse zufolge drei Monate bis zu vier mal in der Woche abends kontrolliert; die einzige Beanstandung habe es an einem dieser heißen Hochsommertage gegeben: Zwei junge Mütter hatten die Zeit vergessen und saßen mit ihren Kleinen noch um 20.20 Uhr auf dem Spielplatz.
Arnold will alle großen und kleinen Spielplatz-​Freunde stärken: „Ich kann nicht verstehen, dass einer in die Stadt zieht und sich das Umfeld vorher nicht anschaut“. Er drückt der Südstadt die Daumen und sagt: „Jugend ist unsere Zukunft, unser Ziel, wir brauchen sie. Man kann sie doch nicht einfach vertreiben.“

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