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Kunstturnen, 1. Bundesliga: TVW-​Athleten drehen seit 2005 am großen Rad — ein Abstieg wäre aber kein Beinbruch

(pm). Die Sporthalle in Goslar hat für den TV Wetzgau den Charakter eines Heiligtums. Dort gelang 2005 der Aufstieg in die höchste deutsche Kunstturnklasse, die Bundesliga. Seither dreht der TVW am großen Rad mit. Doch nun steht das Team von Trainer Paul Schneider vor den schwierigsten Wochen seines Bestehens. Der Abstieg droht. Ein Blick auf die Chancen, Hoffnungen des Teams und den Trainer sowie eine realistische Einschätzung der Zukunft.

Mittwoch, 03. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

Kaum hatte der TV Wetzgau vor Jahren den Sprung in die Bundesliga geschafft, konnte massiv um bessere Trainingsbedingungen geworben werden. Und: Nach insgesamt fast vier Jahrzehnten des Kampfs wurde im vergangenen Januar das neue Zentrum in Gmünd eingeweiht. Folgt jetzt dennoch der Abstieg in die 2. Bundesliga?
Das Team: Gewachsen in den vergangenen Jahren, setzte der TV Wetzgau zuletzt fast immerzu auf das gleiche Personal. Angeführt wurde und wird die Mannschaft von Daniel Popescu, Adrian Bucur und Helge Liebrich. Schön zu sehen ist dabei, dass Popescu inzwischen ein reiner Gmünder ist, ins Trainerteam des TVW rutschte und seither Paul Schneider wesentlich unterstützt. Und auch Liebrich, einst ein Filstäler, hat längst an der Rems seine Heimat, studiert an der PH und geht seinen Weg – vielleicht zu Olympia 2012 – über den TVW. Dahinter rangieren eigene Urgesteine wie Tobias Wolf oder der längst zum Inventar gehörende Axel Steeb. Und: Der Nachwuchs ist auf dem Vormarsch. An erster Stelle stehen dabei Dominik Pfeifer und Simon Kuntner, die den Sprung ins Bundesliga-​Team vollzogen haben und zu den Hauptfiguren in den nächsten Jahren gehören.
Ob aber diese Besetzung ausreicht, um in diesem Jahr den Klassenerhalt unter Dach und Fach zu bringen, steht in den Sternen. Nach dem Sieg gegen Bayern München am ersten Wettkampf hagelte es für den TVW ausschließlich Niederlagen. Besonders bitter war der knappe Misserfolg gegen den Hauptkonkurrenten Chemnitz/​Halle, der nach dem heutigen Stand Letzter ist und somit momentan absteigen würde.
Die Trainer: Hinter Paul Schneider stand in den vergangenen Jahren eine Lücke, nachdem sich Wetzgaus Turnpapst Otto Baur nach und nach aus dem Trainingsbetrieb heraus zog. Schneider kämpfte an allen Fronten – und hat inzwischen Strukturen geschaffen, die es ihm ermöglichen, seine Schwerpunkte auf die erste Mannschaft zu lenken. Mit Daniel Popescu hat der TVW einen zweiten festangestellten Coach in der Hinterhand, dessen Fingerspitzengefühl, vor allem an einem Wackelgerät wie dem Pauschenpferd, in den nächsten Jahren zu spüren sein wird. Insgesamt hat sich zudem ein zehnköpfiges Team entwickelt, mit dem es den Wetzgauern gelingt, sowohl die neue Halle als auch die Friedensschulturnhalle auf dem Rehnenhof mit Leben zu füllen.
Wie bei der Mannschaft gilt aber auch hier: Noch steckt das Entwicklungspotenzial in den Kinderschuhen, wird sich das deutlich erhöhte Kontingent an Trainingseinheiten durch die neue Halle erst Schritt für Schritt entwickeln können. Somit wäre ein jetziger Abstieg keine Überraschung.
Die Zuschauer: Mehr denn je, ist der TVW am kommenden Samstag auf die Unterstützung seiner vielen, vielen Fans angewiesen. Während in anderen Hallen oftmals Zuschauer Mangelware sind, kann Wetzgau auf seine Anhänger setzen und bauen. Doch Paul Schneider startet nochmals den Aufruf vor dem Derby gegen Stuttgart: „Wir brauchen jeden einzelnen! Nur mit der Anfeuerung im Rücken werden wir das Derby für uns entscheiden können.“
Die Hoffnungen: Natürlich will der TVW mit aller ihm gegebener Macht den Klassenerhalt auch in dieser Wettkampfzeit realisieren. Die Hoffnungen ruhen dabei unter anderem auf den Gerätepunkten, die bei Punktgleichheit entscheiden würden. Momentan haben die Gmünder gegenüber Chemnitz/​Halle noch knapp die Nase vorn. Jedoch wollen es die Schneider-​Buben darauf erst gar nicht ankommen lassen. Mit einem Sieg im Derby gegen Stuttgart am Samstag wären alle Zweifel beseitigt. Die Konkurrenz aus dem Osten der Republik könnte an den TVWlern nicht mehr vorbei ziehen, müsste sich darauf konzentrieren, noch einen der anderen Abstiegsbedrohten hinter sich zu lassen.
Die Chancen: Realistisch gesehen, kann Wetzgau am Samstag gegen Stuttgart nur auf die Außenseiterrolle verweisen. Doch die Cannstatter können längst nicht mehr auf die finanzielle Stärke der vergangenen Jahre setzen, gab es doch erhebliche Umstrukturierungen im Feld der Sponsoren. Nur so ist zu erklären, dass das Turnteam aus der Landeshauptstadt selbst den Klassenerhalt noch nicht zu 100 Prozent unter Dach und Fach hat. Daher ist davon auszugehen, dass die Stuttgarter die Chancen des TVW möglichst gering halten wollen. Ein Gmünder Sieg wäre eine Überraschung, aber keine Sensation.
Die Zukunft: Fakt ist: Für den TV Wetzgau ist der Klassenerhalt in diesem Jahr, sollte er gelingen, eine zweischneidige Geschichte. Einerseits will das Team mit aller Macht natürlich in der obersten deutschen Klasse weiter mitspielen. Andererseits aber würde ein Neuaufbau, der im kommenden Jahr kommen wird, in der 2. Liga wahrscheinlich problemloser über die Bühne gehen. Paul Schneider kündigte bereits an: „In der nächsten Saison werden wir radikal verjüngen. Der Nachwuchs rückt mehr und mehr heran. Er ist unsere Zukunft, auf die wir bedingungslos setzen werden.“ Und dabei denkt Schneider nicht nur an die Mannschaft, sondern auch an persönliche Erfolge der einzelnen Athleten: „Es stehen mehrere junge Turner Gewehr bei Fuß. Wir haben den einen oder anderen im Visier, der sich in den internationalen Vordergrund turnen kann!“ Liebrich 2012 und ein eigenes Wetzgauer Talent 2016 bei Olympia? „Warum nicht“, sagt Schneider und lacht. Noch mehr lachen würde er, wenn der TVW in zweieinhalb Wochen weiterhin in der Bundesliga stehen würde. Denn: „Absteigen möchte niemand gerne …“
Tabelle: 1. SC Cottbus 10:0 Punkte (53:7 Gerätepunkte), 2. KTV Straubenhardt 8:2 (44:16), 3. TG Saar 6:4 (35:25), 4. NTT Hannover 4:6 (29:31), 5. Bayern München 4:6 (27:33), 6. TT Stuttgart 4:6 (20:40), 7. TV Wetzgau 2:8 (17:43), 8. MTT Chemnitz/​Halle 2:8 (15:45)
Die Begegnungen an den beiden letzten Wettkampf-​Wochenenden:
6. November: SC Cottbus – MTT Chemnitz/​Halle, FC Bayern München – NTT Hannover, TV Wetzgau – TT Stuttgart (17 Uhr), TG Saar – KTV Straubenhardt
20. November: Chemnitz/​Halle – Bayern München, NTT Hannover – Wetzgau (16 Uhr), KTV Straubenhardt – SC Cottbus, 21. November: Stuttgart – TG Saar

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