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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Der Gmünder Frauenarzt Dr. Abolghasem Resaei gründet ein Hilfswerk für die Ärmsten der Armen in Luanda/​Angola

Er ist wieder da: Im Februar machte er kurzerhand seine Praxis zu, zahlte sein Praxisteam weiter, entschuldigte sich bei seinen Patientinnen und ist jetzt nachdenklich heimgekehrt: Dr. Abolghasem Resaei unternahm einen humanitären Hilfseinsatz in den Slums der angolanischen Hauptstadt Luanda, erlebte dort furchtbare Not und will nun ein Hilfswerk in Gang setzen. Von Heino Schütte

Sonntag, 07. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. In den traurigsten Träumen hätte er nicht daran gedacht, was ihn dort tatsächlich erwartete. Denn die ganze Geschichte seiner Mission in Afrika begann zunächst recht unspektakulär. Der seit 1989 in Schwäbisch Gmünd beziehungsweise Mutlangen lebende und seit 1996 in einer eigenen Praxis arbeitende Gynäkologe und Vater dreier Kinder schaffte sich im vergangenen Jahr ein neues Ultraschallgerät an. Das alte Gerät wollte er zunächst verkaufen, weil es immerhin auch noch einige tausend Euro wert war. Eines Tages wurde er von einer Patientin angesprochen, die Verbindung zur einer portugiesischen Samariter-​Gemeinschaft hat, die Spenden in die ehemalige Kolonie Angola schickt. Solche gebrauchten medizinischen Geräte seien dort äußerst begehrt, weil es auch in den städtischen Kliniken an allem fehle. Was er denn für das Gerät verlangen würde?
Für Dr. Abolghasem Resaei gab’s auf diese Frage kein langes Überlegen: Er war bereit, das Ultraschallgerät kostenlos auf die Reise zu schicken. Angedeutet wurde sogleich das Problem: Das medizinische Personal in kleinen Krankenstationen müsste ja auch eine Gebrauchsanweisung erhalten. Der Gmünder Arzt entschloss sich deshalb, dem Ultraschallgerät sozusagen hinterher zu reisen. Die ganze Aktion, so beschreibt er im Gespräch mit der Rems-​Zeitung, war sehr kompliziert: Man benötigt für Angola ein Visum, dann natürlich ein Flugticket, auch eine Unterkunft. Das größte Problem: Eine Woche lang hing das Ultraschallgerät auch im Zoll fest. Einige hundert US-​Dollar waren nötig, um die Spende freizukaufen.
Dr. Abolghasem Resaei erwartete nun eine Klinik mit Ärzten in einem ordentlichen Lehrsaal, um mit der Einweisung beginnen zu können. „Es kam jedoch ganz anders wie ich mir das vorgestellt habe“, erzählt er immer noch sichtlich schockiert. „Da war nichts, einfach nur nichts!“ Auch die einfachste Grundvoraussetzung, um das Gerät in Betrieb zu nehmen, nämlich ein Stromanschluss, war einfach nicht vorhanden. Seine Kontaktadressen, wenn man diesen Begriff überhaupt wählen kann, befanden sich inmitten der riesigen Slums im Süden der Hauptstadt Luanda. In einer christlichen Missionsstation fand er eine Herberge in Gestalt einer Kammer. Der einzige Luxus: Ein Eimer Wasser, der täglich halbwegs frisch gefüllt wurde.
Im Slum nur Cola getrunken und Bananen gegessen
„Ich habe die ganze Zeit nur Coca Cola getrunken und ein paar Bananen gegessen.“ Die Besichtigung der Ortes für seine Hilfsmission war niederschmetternd: Ein großer, staubiger Platz mit einer kleinen Steinbude. Zumindest diesen Bauplatz hatte die Samariter-​Gemeinschaft mal gekauft, um dort für Millionen Slumbewohner ein Krankenhaus aufzubauen. Zukunftsmusik. Doch Abolghasem Resaei konnte diese Szenen des Jammers und der Not nicht ertragen, ist nun mit dem Willen heimgekehrt, das Projekt einer bescheidenen Krankenstation in die Tat umzusetzen. Denn: Da sterben täglich besonders ungezählte Kinder an zunächst relativ harmlosen Infektionen, Entzündungen, Durchfall oder kleinen Wunden. Einfachst behandelt, könnte die humanitäre Tragödie verhindert werden.
Das Chaos von Haiti ist in weiten Teilen Angolas Dauerzustand
Die Lage in Angola ist katastrophal. „Dort ist immer Haiti“, vergleicht der Gmünder Arzt. Nur der kleine Teil relativ wohlhabender Menschen hat überhaupt Zugang zu Trinkwasser und zu einer medizinischen Versorgung, meist nur jene dünne Oberschicht, die Geld aus der Öl– und Diamantenwirtschaft verdient. Von den fünf Millionen Einwohner in Luanda sind das nach Schätzungen Resaeis vielleicht 100 000, die im Zentrum der Stadt leben. Rundherum herrscht blanke Hungers– und Krankheitsnot.
All diese Bilder und die Ungerechtigkeit lassen ihn nicht mehr los. Der in den 80er-​Jahren aus dem iranischen Khomeni-​Staat geflüchtete Abolghasem Resaei ist Moslem („Ich glaube an den Islam, will mir aber Religionsausübung und Weltanschauung nicht von Revolutionswächtern aufzwingen lassen“). Angola ist christlich geprägt. „Das ist mir doch egal. Mensch ist Mensch!“ beschreibt er seine innere Überzeugung, jetzt dort humanitär und ganz praktisch eingreifen zu müssen. Ziel seines Projekts: Auf dem staubigen Platz wenigstens vier Wände mit einem Wellblechdach errichten, um dort Kranke und Verletzte kostenlos behandeln zu können. Die Menschen dort sind bettelarm. Haupteinnahmequelle für die jungen Leute aus den Slums ist der Verkauf von gekühlten Getränken entlang der Straßen der Reichen. Es gibt auch keine Läden, schon gar keine Apotheken. Essen wird sporadisch unterm freiem Himmel gehandelt. Dort oder allenfalls in Steinbuden oder in Wellblechverschlägen wird auch meist geschlafen. Auf dem Platz rund um die kleine Polyklinik könnten die Patienten dann, was dort üblich sei, ihre Zelte oder Planen aufschlagen, wenn sie dorthin zur „Sprechstunde“ kommen und eine Weile warten müssen.
Dr. Abolghasem Resaei will im Sommer wieder nach Luanda reisen. Bis dahin hofft er auf Mithilfe seiner Kollegen, von Apotheken oder auch Firmen und Freunden in und um Gmünd. Ganz bewusst will er nicht um Geld betteln, sondern sich auf Sachspenden konzentrieren. Alles, was für eine solche kleine Klinik gebraucht wird (medizinische Geräte und Hilfsmittel, Medikamente, Verbandsmaterial usw.) ist herzlich willkommen.

Wer Dr. Abolghasem Resaei und seinem Polyklinik-​Projekt helfen möchte, kann sich in seiner Praxis melden: Bocksgasse 38, Tel. 07171/​929820, oder auch via Internet: resaei​.de

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