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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Auch 2010 erscheint wieder eine Ausgabe der Gefangenenzeitung der Frauenhaftanstalt in Schwäbisch Gmünd

„Man kann nicht froh und glücklich sein bei all den Traurigkeiten“, lautet die erste Zeile eines Gedichtes in der Gefangenenzeitung „Die weis(s)e Frau“ der Frauenhaftanstalt Schwäbisch Gmünd.

Dienstag, 15. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 19 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (sf). Außerhalb der Gefängnismauer ist es schwer, hinter diese zu blicken. Das liegt nicht nur daran, dass selbstverständlich kein Mensch durch Wände sehen kann. Es geht vor allem darum, dass es schwer fällt, sich in die Lage der Gefangenen hineinzuversetzen, wenn man selbst nie in dieser Situation gesteckt hat. Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass man nicht einfach mal zum Supermarkt um die Ecke spazieren kann, oder sich in der Eisdiele schnell mal ein Eis kaufen kann? Wie fühlt es sich an, auch in seinem Tagesablauf auf vorgegebene Regeln beschränkt zu sein und Familie und Freunde nicht dann sehen zu können, wann man gerade Lust dazu hat? Außenstehende können lediglich versuchen, sich in diese Situation hineinzufühlen. Die Gefangenenzeitung erlaubt zumindest kleine Einblicke in diese Welt zu bekommen, die wohl die meisten nicht kennen, oder zum Glück nie kennen lernen mussten, und damit auch nur schwer verstehen. Die Texte und Gedichte, die von Insassinnen in der Zeitung veröffentlicht werden, berühren den Leser. Der Grund dafür liegt wohl vor allem darin, dass man beim Lesen spüren kann, dass die Worte der Verfasserinnen direkt aus dem Herzen sprechen.
Es ist ein kleiner Einblick in ihre täglichen Gefühle und Gedanken. Auch Probleme, mit denen sie jeden Tag zu kämpfen haben, werden angesprochen. Oft sind es Dinge, die in der Welt „draußen“ das Natürlichste der Welt zu sein scheinen, oder sich auch erst überhaupt nicht stellen. Das geht von der Freude auf einen Besuch im Gefängnisladen und der anschließend enttäuschenden Feststellung, wie begrenzt und eintönig das Angebot wieder ist, und vielleicht genau das Gewünschte nicht vorhanden ist, über den morgendlichen Weckruf um 4.50 Uhr, auf den angespanntes Herzklopfen bis zum Öffnen der Tür und anschließend ein meist monotoner Tagesablauf folgt, bis hin zur Trauer über im Gefängnis gewonnene Freunde, die nach ihrer Entlassung durch Drogenkonsum ihr Leben lassen mussten. In ihren Leserbriefen wollen die Frauen auch darauf aufmerksam machen, wie schnell Menschen verurteilt werden und wie schwer es manchen fällt, sich mit den Ursachen zu beschäftigen.
Auch über Aktivitäten in der Anstalt, wie Ausflüge, den Tag der offenen Tür oder auch Kunstprojekte, die teilweise mit sehr viel Einfallsreichtum und trotz beschränkter Mittel verwirklicht werden, informiert die Zeitung und legt Meinungen dazu offen.
Für die Insassen selbst bietet sie außerdem die Möglichkeit zur Information über Themen wie Rechtsfragen, Maßnahmen kurz vor und nach der Entlassung sowie Neuigkeiten in der Anstalt. Auch eine Möglichkeit Danke zu sagen, ist die Zeitung. Es gibt Menschen, die sich ehrenamtlich oder auch im Rahmen ihres Berufs engagieren, um die Situation für die Häftlinge zu verbessern und die Qualität des Lebens hinter Gittern ein wenig anzuheben. Angebracht ist es an dieser Stelle jedoch auch, den Machern der Zeitung und allen, die ihren Beitrag dazu leisten, einen Dank und ein Lob auszusprechen. Man könnte es als einen Lichtstrahl bezeichnen, der durch die Gefängnismauer dringt — nur kommt der Lichtstrahl in diesem Fall von drinnen und dringt durch zur Welt außerhalb.

Erhältlich ist „Die weis(s)e Frau“ für 2,50 Euro pro Stück bei folgenden Einrichtungen in Gmünd : Buchhandlung Stiegele, DRK Second Hand, Pfarrbüro St. Franziskus, Pfarrbüro Münstergemeinde, i-​Punkt Unterer Markt, Pforte JVA am Eingangsbereich, Einhorn-Verlag+Druck GmbH.

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