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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünds älteste Skulptur betritt als Teil der Ausstellung „Die Staufer und Italien“ erstmals die internationale Bühne

Sie ist etwas ganz Besonderes. Und weil das alle erfahren sollen, schicken die Gmünder sie jetzt voller Stolz hinaus in der Welt, besser nach Mannheim zur großen Staufer-​Ausstellung. Aber wer ist diese Madonna, die so viel älter ist als jede andere Skulptur in Gmünd?

Mittwoch, 18. August 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Münsterpfarrer Robert Kloker, Münsterarchitekt Hermann Hänle und insbesondere Prof. em. Dr. Hubert Herkommer, renommierter Literaturwissenschaftler, der in der Stauferstadt ebenso daheim ist wie in der Welt der Staufer, arbeiten schon länger daran: Sie wollen der Marienskulptur aus der Johanniskirche die Beachtung sichern, die ihr gebührt. Hierzulande gibt’s nur wenig aus dem elften Jahrhundert, laut Kloker und Herkommer zumindest im Gmünder Raum keine andere Statue.
Die Ausstellung „Die Staufer und Italien“ der Reiss-​Engelhorn-​Museen in Mannheim will vor allem eines zeigen: Ohne die Staufer wäre das Mittelalter ein völlig anderes gewesen. Wie froh waren die Ausstellungsmacher, als ihnen Hubert Herkommer von der romanischen Staufermadonna in Gmünd erzählte, über 900 Jahre alt und ursprünglich für den romanischen Vorgängerbau des Münsters bestimmt. Nun wird die Schöne also vom 19. September bis zum 20. Februar 2011 im Kreis süditalienischer Statuen erstmals die internationale Bühne betreten — und zweifellos glänzen. Dass die Gmünder sie zu schätzen wissen, zeigt sich unter anderem an den 50 Bronze-​Repliken, die Liebhaber gefunden haben — der Erlös hilft, die Johanniskirche zu restaurieren. Hermann Kissling hat ihr in den Gmünder Studien 2000 einen Aufsatz gewidmet. Nun aber, so Herkommer, wird sie auch für den Rest der an Kunst und Historie interessierten Welt aus dem Dornröschenschlaf geweckt: „Über Mannheim wird niemand mehr an ihr vorbeikommen“, was der Stauferstadt natürlich gefalle und Rückenwind gebe fürs eigene Stauferereignis, die 850-​Jahr-​Feier.
Die Frau mit den Zöpfen,
die Mutter Gottes
Herkommer kennt kein Vorbild für dieses Werk, allenfalls den in Byzanz entwickelten Madonnentypus der Maria Nikopoia, der Siegbringerin, an dem sich der staufische Bildhauer offenbar orientierte. Diese Maria trägt einen unkindlichen Jesus, einen jungen Erwachsenen, der gekleidet ist wie sie; nach kirchlicher Lesart trägt die Mutter freilich dieselbe Kleidung wie der Gottessohn. Damit ist ein deutlicher Bezug zum aufs Konzil des Jahres 431 zurückgehenden Dogma der Gottesgebärerin geschaffen. Maria reicht ihrem Sohn den Apfel — Anspielung auf den Sündenfall -, er greift mit der Linken zu, mit der Rechten segnet er. Marias Frisur geht in zwei Zöpfe über;: Die Mutter trägt das Zeichen der Jungfräulichkeit. So viel ist zu entdecken an dieser Skulptur; der Steinmetz benutzte den Meißel wie den Stichel eines Holzschnitzers, so fein sind die Details herausgearbeitet. Bis 1972 blickte sie als Pfeilermadonna an der Südwestecke der Johanniskirche auf die Bocksgasse - mittlerweile ist dort eine Kopie installiert -, dann wurde sie im Kircheninnenraum am Choreingang aufgestellt. Ein besserer Ort, sie zu schützen und beherbergen, ließe sich kaum denken als die Johanniskirche - hier hat der 14-​jährige Konrad, Letzter der Staufer, sein letztes Weihnachtsfest auf deutschem Boden gefeiert, sein Vater war in Gmünd, sein Ururgroßvater, und Barbarossa sicherlich auch.
Diese Maria wird der Stadt fehlen — auch wenn an ihrer Stelle das Posterbild Johannes Schüles stehen und die Johanniskirche in der kalten Jahreszeit ohnehin nicht geöffnet wird. Rechtzeitig zum Frühjahr ist sie wieder da, verspricht der Münsterpfarrer — die Mannheimer Ausstellung wird zwar nach Palermo gebracht, die Gmünder Madonna aber kommt nach Hause. Bis dahin, so versprich Kloker, ist sie in Mannheim besser geschützt als in Gmünd; Hubert Herkommer will sie auf ihrer Reise begleiten, und sicherlich wird sie viele Besucher empfangen; unter anderem der Münsterbauverein plant einen Ausflug.
Blick auf drei mittelalterliche Innovationszentren
Bischof Otto von Feising, Onkel und Chronist des Kaisers Friedrich I. Barbarossas, sprach der Gegend zwischen Rhein, Main und Neckar die „größte Kraft des Reiches“ zu; Herkommer spricht von den „drei Innovationszentren der Staufer“, jenen Gegenden des mittelalterlichen Europas, die sich durch die Öffnung nach Italien enorme Vorteile verschafften — heute Rheinland-​Pfalz, Hessen und Baden-​Württemberg. Die Mannheimer Ausstellung zeigt, was es bedeutete, Teil des Staufer-​Imperiums zu sein.
„Am Ende bleibt (…) das Erlebnis dieses frühen Madonnenbildes in seiner Nähe und Ferne zugleich. Es ist die sprachmächtige Anwesenheit der Vergangenheit in der Gegenwart. Die heute greifbare Wirklichkeit dieses Bildwerkes zeugt von einer fast unbegreifbar weit entfernten Zeit und Kultur, den Fundamenten unserer Stadt und Wirklichkeit.“
Dr. Hermann Kissling, Prof. i.R. der PH, der die Gmünder Madonna „singuläres Werk der schwäbischen Kunstgeschichte“ nennt.
Die Ausstellung in Mannheim wird in Gmünd nicht nur der Madonna wegen mit großer Aufmerksamkeit begleitet — sie wirft ein helles Licht auf die Bemühungen, 2012 selbst ein Staufer-​Großereignis zu inszenieren. OB Arnold jedenfalls, der vorab über den Madonnen-​Ausflug ins Badische informiert wurde, bittet dringend darum, die Mannheimer davon zu überzeugen, im Gegenzug etwas zum Gmünder Stadtjubiläum beizutragen.

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