Pegel erreichte in der Nacht neue Rekordmarke /Die neuen Hochwasser-Sperrwerke sind ein Segen fürs untere Remstal
Das Hochwasser in der Nacht zum Freitag hat die bisherige Rekordmarke vom 21. März 2002 im mittleren und unteren Remstal übersprungen. Die neuen Sperrwerke mit ihren Poldern des Wasserverbands Rems konnten eine verheerende Katastrophe verhindern.
Freitag, 14. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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Als sich die Ankunft der Rekord-Hochwasserwelle ankündigte galt es im ersten Schritt, die bis zu 65 Hektar großen Rückhalteflächen mit ihren Deichanlagen und Zufahrtswegen schnell und sorgsam zu räumen und abzusperren. Kummer bereiteten Autofahrer, die zunächst immer wieder in die Polder hineinfuhren und sich damit selbst in Gefahr brachten.
Von ursprünglich acht geplanten Hochwasserschutzanlagen sind derzeit drei in Funktion. Ein viertes Sperrwerk mit Überschwemmungsfläche ist zwischen Plüderhausen und Urbach geplant, scheitert jedoch bislang an Einsprüchen. Schon angesichts von teils erbosten Reaktionen von Bürgern und Kommunalvertretern vom Unterlauf der Rems am Donnerstag am Rückhaltebecken Winterbach (wir berichteten) wurde deutlich, dass die Diskussion über dieses vierte Projekt nun gewiss neu entfacht wird. Es geht immerhin um viel Geld. Je nach Größe kostet der Bau einer solchen Anlage zwischen zehn und 15 Millionen Euro. „Das Geld hat sich doch schon gestern und vorgestern bezahlt gemacht“, so zeigt sich Verbandsgeschäftsführer Hans-Georg Walter überzeugt und denkt an die Sachschäden in dreistelliger Millionenhöhe und auch an viel menschliches Leid, das sich schon beim ersten „Jahrhunderthochwasser“ im Februar 1990 im damals noch völlig ungeschützten Remstal ergab. Dieses Ereignis war Impuls zur Gründung der interkommunalen Hochwasserschutzgemeinschaft entlang der 80 Kilometer langen Rems, die durch drei Landkreise und durch 18 Städte und Gemeinden führt.
Wasserverband Rems dankt allen Mitarbeitern und Feuerwehrleuten
Walter beschreibt weiter die dramatischen Ereignisse in der Nacht zum Freitag: Der Zulauf aus dem oberen Remstal sei weniger das Problem gewesen. Die schlimmsten Wassermassen habe man in den seitlichen Tälern aus Richtung Welzheimer Wald und Murr-Gebiet ins Remstal hereinströmen gesehen. Der Rems-Pegel bei Schorndorf habe schließlich am Abend die bisherige Rekordmarke 512 cm (gemessen am 21. März 2002) sogar um etwa 20 cm überflügelt. Wären nicht die Rückhalteanlagen vorhanden gewesen, so die Einschätzung des Gmünder Wasserbau-Experten, hätte es in den Orten und Gebieten am Unterlauf der Rems unweigerlich genauso katastrophal ausgehen wie jetzt in Backnang und im gesamten Murrtal. Am Donnerstag gegen 11 Uhr wurde das Sperrwerk bei Winterbach geschlossen, um bis zum Scheitelpunkt etwa 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser aufzustauen. Nachdem abzusehen war, dass dies nicht ausreichend sein würde, kam dann gegen 21 Uhr auch das Regenrückhaltebecken bei Lorch-Waldhausen zum Einsatz. Es wurde zu etwa einem Drittel seines tatsächlichen Fassungsvermögens gefüllt, um Winterbach ein Stück weit zu entlasten, wo der Polder randvoll gelaufen war. Als Reserve und in Furcht vor einer weiteren Hochwasserwelle vom Oberlauf der Rems blieb die dritte Schleuse zwischen Schwäbisch Gmünd und Lorch offen. Die Polder bei Winterbach und Lorch-Waldhausen glichen auch gestern noch riesigen Seen.
Den ganzen Morgen des Donnerstag über hatten viele besorgte Anwohner und Bürgermeister in schlimmer Erinnerung an die früheren Hochwasserereignisse die Verantwortlichen des Wasserverbands regelrecht bekniet, die stählernen Sperrtafeln zwischen den mächtigen Betonwerken umgehend herabzulassen. Die Experten wurden jedoch nicht müde, den beunruhigten Menschen zu erklären, dass die Wirkungsweise der Sperranlagen auf einer geschickten Strategie basiert. Die Anlagen können schon allein aus Kapazitätsgründen nicht als Stauseen dienen, die das Hochwasser komplett auffangen. Vielmehr handelt es sich um Vorrichtungen, um die Fluten so zu dosieren, damit die im Remstal so besonders gefürchteten Scheitelbereiche eines Hochwassers sozusagen gekappt werden können. Überschwemmte Wiesen werden also weiter in Kauf genommen, um die Ortschaften sowie die vielen Industrie– und Gewerbegebiete an der Rems zu schützen.
Das System hat sich am Donnerstag und Freitag zweifellos bewährt. Hans-Georg Walter: Nach anfänglicher Skepsis habe er nichts von größeren Schäden gehört und nunmehr viel Erleichterung der Rems-Anlieger geerntet. Und ganz persönlich und bescheiden fügt Dipl-Ing. Hans-Georg Walter, pensionierter Tiefbauamtsleiter der Stadt Schwäbisch Gmünd und einer der Gründerväter des Verbands, hinzu: „Es ist ein schönes Gefühl, Gutes getan zu haben.“
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