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Ein eindrucksvoller ökumenischer Gottesdienst zum Jahresende in Lorch als Plädoyer gegen Hektik und Schnelllebigkeit

Es ist Brauch, am letzten Tag des Jahres in den Gottesdiensten das vergangene Jahr zu überdenken und Hoffnung für das kommende zu schöpfen. Die RZ besuchte den ökumenischen Altjahresgottesdienst in der St.-Konrad-Kirche in Lorch, den der katholische Pfarrer Marc Grießer und der evangelische Christof Messerschmidt gestalteten. Von Dietrich Kossien

Montag, 03. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 44 Sekunden Lesedauer

LORCH. Die Besucher begrüßte Pfarrer Grießer: Wenn man inne halte und daran denke, dass ein Jahr vorüber sei, beschleiche einen oft ein mulmiges Gefühl. Man könne das alte Jahr nicht festhalten, und man wisse nicht, was das neue bringe. Heute sei man zusammengekommen, um Gott zu danken für das, was war, und um unser Leben in seine Hand zu legen. Pfarrer Christof Messerschmidt begann seine Predigt nach einem Text aus Jesaja mit der Feststellung: „Rasend schnell geht alles, und nichts hat mehr Bestand. Was heute neu ist, ist morgen nicht nur alt, sondern veraltet.“ Und die Menschen wollen immer mehr. Wir Menschen seien es, die alles schneller machten, die mehr wollten, die keine Ruhe mehr kennen und die sich doch nach nichts mehr sehnten, als zur Ruhe zu kommen. Mit jedem Jahr fahre der Zug durch das Leben schneller, Verlangsamung sei verboten. Schneller müsse es gehen, wachsen müsse es und vorwärts – nur kein Blick der Ruhe zurück, weil Ruhe und Nachdenken dem Nichtstun gleichkommen würde.
Nichts aber erscheine uns schlimmer als nichts mehr tun zu können. Doch es bleibe eine erstrebenswerte Kunst, zur Ruhe zu kommen und nichts zu tun.
Aber auch die Zuordnung bestimmter Ereignisse zu einem Jahr falle im Rückblick schwer. War das in diesem Jahr – die Ölkatastrophe, das Unglück der Loveparade, die Fußball-​WM, die Skandale in den Kirchen? Alles gehe schnell vorbei und habe nur im Moment der Nachricht einen Wert für die Allgemeinheit. Doch für die Betroffenen wirke es lange nach. So sei das auch mit schlimmen Ereignissen vor Ort: Drei, vier Wochen, dann habe der Alltag uns wieder. Und nur wer betroffen sei, der habe ein Leben lang damit zu tun. Schon immer sei es das Streben des Menschen, weiterzukommen und mächtiger zu werden. „Sich nicht zufrieden geben mit dem was da ist, sondern mehr und anderes haben.“ Das wir uns weiterentwickeln wollten, sei gut, doch manches Mal würden wir dabei übers Ziel hinausschießen, weil wir zu viel wollten und das Falsche dazu: Manche Katastrophen zeigten das auf das Deutlichste: „Das Öl im Meer, die Kriege in der Welt und unsere dauernder Kampf gegen die Zerstörung unseres eigenen Lebensraums. Der Wunsch, alles beherrschen zu können und unser Menschsein von Beginn an vor Gefahren und Krankheiten zu beschützen.“ Wir würden übers Ziel hinausschießen, wenn wir uns mit unserer Rolle als Geschöpf nicht zufriedengeben könnten, wenn wir uns mit unserer Rolle, unserem Auftrag von Gott nicht zufriedengeben könnten, sondern seinen Platz einnehmen wollten; und wenn wir der Versuchung erliegen würden, allmächtig und allwissend zu sein und Herr über Leben und Tod. Doch das seien wir nicht. „Wir sind vergänglich und haben unser Leben nicht in der Hand. Das sind wir Menschen. Gott sei Dank sind wir so. Rasend schnell geht alles und nichts hat Bestand“, stellte Pfarrer Messerschmidt nochmals fest, und das Maß der Dinge sei der wirtschaftliche Erfolg. „Lohnt sich das?“ frage man, anstatt zu fragen, ob es Gottes Willen entspreche. Auch wenn man nicht mehr von jedem Entscheidungsträger erwarten könne, dass er sein Handeln am Willen Gottes überprüfe, so müsse man aber dies mit Recht von Christen und Christinnen und erst recht von den christlichen Kirchen erwarten.
„Auf Rossen wollen wir dahinfliegen…“ heiße es im Predigttext. Wo das ende, beschreibe Jesaja ausführlich: im unkontrollierbaren Chaos. Und was geschehe, wenn alles über uns zusammenschlage und unseren Händen entgleite, lasse sich in der großen Weltgeschichte beobachten, wie auch im kleinen Privaten. Dagegen weise Gott den Weg in die Ruhe: „Wenn ihr umkehret und stille bliebet, so würde euch geholfen, durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ Heiße es im Text. Da sei es gut, dass Gottesdienste die Hektik des Alltags unterbrechen.

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