Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Kommentar

Viel Aufregung um ein T-​Shirt, einen zornigen OB und um eine Brücke Von Heino Schütte

Dienstag, 19. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 24 Sekunden Lesedauer

Eine Zeitlang hatten stolze Bürger und neidische Beobachter in der Region den Eindruck: Da läuft jetzt was, die Gmünder gehen in noch nie da gewesener Einigkeit voran, und die Zeit von zermürbenden parteipolitischen Grabenkämpfen ist vorbei. Doch seitdem in der letzten Woche von der Einsetzung eines „Untersuchungsausschusses“ die Rede ist und ein Stadtrat wegen eines T-​Shirts Schlagzeilen verursacht, reiben sich viele Bürger verwundert die Augen. Was ist passiert? Das T-​Shirt von Stadtrat Thomas Hilsberg trägt die Aufschrift „J.J. sagte: Nicht meine Baustelle“. Es handelt sich um ein unvollständig wiedergebenes Zitat des Leiters des Tiefbauamts Jupp Jünger zum Stand der Arbeiten an der Rektor-​Klaus-​Brücke, das via Internet und nun durch den Medienwirbel jetzt sogar Kultstatus erlangt hat. In Rathaus-​Gängen und auch auf Gartenfesten wird nun seit Tagen schmunzelnd kundgetan: „J.J. nicht meine Baustelle!“ Fraktionssprecher distanzieren sich vom Kollegen Hilsberg, der OB schreibt einen Mahnbrief. Stadtrat Thomas Hilsberg hat’s mit seinem T-​Shirt überzogen. Das weiß er nun auch selber. Der Gemeinderat hat schon weitaus wildere Zeiten mit noch bunteren T-​Shirts durchgestanden: Die Grünen stürmten seinerzeit mit 108 Luftballons den Gemeinderat, um symbolisch gegen die Stationierung der Atomraketen in Gmünd und Mutlangen zu protestieren. Und Streit um Anti-​Atomkraft– und andere „Wir– sind-​dagegen-​T-​Shirts“ gehörten zur Tagesordnung. Und dann gab’s ja auch schon immer gewählte Bürgervertreter, die als unbequeme Querdenker Farbe ins Spiel brachten. Das darf und muss Demokratie und Kommunalpolitik aushalten, ohne gleich Gegenstand eines „Untersuchungsausschusses“ zu werden. Gmünd steht vor Herausforderungen, die weitaus wichtiger sind als die Rangelei um ein T-​Shirt. Doppelmoral und die parteipolitische Hintersinnigkeit des plötzlichen rot-​grünen Aktionsbündnisses wird deutlich: Noch gar nicht lange ist es her, da nahmen gerade die beiden Fraktionsspitzen von SPD und Grüne billigend und feixend in Kauf, dass ein SPD-​Oberbürgermeister ein ihm zugespieltes und wochenlang kursierendes anonymes Hetz– und Witzblättle gegen engagierte Bürger, die sich für den Erhalt des historischen Postamtes einsetzten, genüsslich im Ältestenrat verteilen ließ. Ein „Untersuchungsausschuss“ hätte gewiss ein interessantes Ergebnis zur Frage erzielt, welcher Klüngel hinter diesen unfairen Methoden steckte. Zur eigentlichen Ursache der jüngsten Aufregung: Bei der auf dem T-​Shirt zitierten Baustelle handelt es sich um die Rektor-​Klaus-​Brücke. SPD-​Chef Max Fuchs bohrte – und das ist sein absolutes Recht als gewählter Bürgervertreter – bei OB Richard Arnold hartnäckig nach, was die Ursache für die Verzögerung ist unter der nicht nur die Weststadtbewohner zu leiden haben. Richard Arnolds Untugend ist es leider, oft auch sehr spitz und oberflächlich zu antworten, was seinem Gegenüber wiederum die Zornesröte ins Gesicht treibt. Ein „Ja, Herr Fuchs, Sie haben absolut recht, da ist der Wurm drin und wir liefern Ihnen in der nächsten Sitzung die kompletten Hintergründe“ wäre angebracht gewesen. Ganz Gmünd ist derzeit eine Baustelle – die größte seit Generationen. Dass es Verzögerungen auf jeder Baustelle geben kann, davon weiß jeder Häuslebauer ein Lied zu singen. Daraus aber ein Drama mit Einberufung eines „Untersuchungsausschusses“ zu fabrizieren, entspringt den leider immer noch nicht beigelegten Grabenkämpfen der Parteipolitik. Dass die Fraktionsspitzen der Grünen und der SPD gerne dazu neigen, nicht mit offenem Visier solche Themen aufzugreifen, sondern den nichtöffentlichen Sitzungsteil der Ratssitzungen abwarten, steht für ihre Doppelmoral. Doppelmoral auch beim Oberbürgermeister, der sich offiziell vor seine Mitarbeiter stellt, ihnen aber wütend die Türe zu– und beinahe auf die Nase knallt, was Jupp Jünger in der öffentlichen Sitzung des Bau– und Umweltausschusses kürzlich widerfahren ist. Das tut weh! Gute Politik lebt von Moral, Fairness, Stil und manchmal auch von Gelassenheit.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

9093 Aufrufe
579 Wörter
4667 Tage 1 Stunde Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4667 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/7/19/kommentar/