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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Sound-​Designer Oliver Gründel ist ein Gmünder

Oliver Gründel ist ein Set-​Tonmeister; derzeit arbeitete er an seinen beiden ersten Spielfilmen: Die RZ wollte wissen, was genau er macht und warum ihm das so viel Freude bereitet.

Donnerstag, 18. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Der mittlerweile 37-​Jährige hat das Scheffold-​Gymnasium nach der zehnten Klasse verlassen. Damals hatte er anderes im Kopf als zu lernen — in erster Linie seine Musik. Während des Zivildienstes in Aachen bestimmte das Musikmachen sein Leben, das Gitarrespielen, aber von Anfang an auch die von Tönen und Geräuschen ausgehende Faszination. Nach einer Schreinerlehre in Waldhausen erarbeitete er sich den Fachhochschulabschluss, jobbte die ganze Zeit über und, natürlich, machte Musik. Mit Gleichgesinnten hat er am Kassettenrekorder produziert, am Commodore Amiga – ein Ende der 80er weit verbreiteter Computer –, oder lediglich mit mit Bass, Gitarre und Dr. Sample, ein Instrument, das Töne aufnehmen und auf Tastendruck in unterschiedlicher Tonhöhe wiedergeben kann. In der Erinnerung daran schüttelt Gründel den Kopf, grinst: „Das ging gar nicht, das das konnte man sich nicht anhören.“ Aber wer sich diese Lehr– und Wanderjahre ansieht, kommt nicht umhin zu bemerken, wie lange er sich schon für Tontechnik interessiert.
Irgendwann war’s ihm wohl selbst klar. Spätestens als ihm aufgefallen ist, dass er mehr und mehr wissen wollte, welche Töne er seine Gitarre entlocken konnte, etwa wenn er sie über eine Glasplatte zog. Sphärisches konnte er erzeugen, Emotionen hörbar machen. Die Akkorde wurden zweitrangig, ebenso der Wunsch, ein vollständiges Lied präsentieren zu können.
Zwei Jahre lang ließ er sich im Popcollege in Fellbach zum staatlich geprüften Musik– und Sounddesigner ausbilden. Unmittelbar danach übernahm er dort eine Dozentenstelle, und noch während dieser Ausbildung begann er im Fachbereich Film der Lazi-​Akademie in Esslingen Tontechnik zu unterrichten.
Ungefähr zu dieser Zeit haben ihm die Schulleiter in Fellbach geraten, seine Töne mit Bildern zu unterlegen, und heute hat er gar nix mehr mit Musik zu tun, außer dass er sie ab und zu mischt. In den Imagefilmen, die er vertont – damit stellen sich Unternehmen möglichst vorteilhaft dar –, arbeitet er mit Musikern und Sprechern und organisiert auch schon mal jemanden, der akzentfrei französisch parliert. Vor allem aber produziert er Töne und Geräusche, und das ist so viel schwerer, als seinen fertigen Arbeiten anzusehen ist. Dreimal war Oli Gründel jetzt schon in Cannes. Zunächst mit zwei Studentenprojekten, unter anderem einem Kurzfilm für einen Anti-​Aids-​Wettbewerb, dann als Sounddesigner für einen Beitrag zum Young Director’s Award, und in diesem Jahr mit Trailern für gleich zwei Spielfilme. Mittlerweile arbeitet er mit Leuten wie Joachim Kerzel, den das Kinopublikum als Jean Renos Stimme kennt, oder mit „Alien“-Darsteller Lance Henriksen .
Gründel hat ein gutes Gehör für Töne — ist ja auch sein Beruf -, das heißt aber auch, dass er jeden Fehler bemerkt; so ist ihm immer bewusst, dass bei den meisten synchronisierten Filmen kein Hall zu hören ist: Die Leute stehen aber doch mitten im Raum.
Um zu erklären, was genau ein Sounddesigner macht, bemüht er einen Großmeister seines Berufs, Ben Burtt, der unter anderen die Lichtschwerter in Star Wars zum Summen brachte. Es gibt Dialoge, und es gibt Musik. Alles andere und nicht zuletzt atmosphärische Effekte übernehmen Tonmeister und Geräuschemacher — nicht selten in Personalunion.
Mögen die Bilder noch so sehr springen: Der Ton darf’s nicht. Es kommt vor, dass ein Flugzeug durch die Tonspur donnert — mit ein bisschen Glück lässt sich’s rausfiltern, ansonsten muss aus anderen Szenen etwas zusammengeschnitten werden. Oder der teure Weg zurück ins Studio angetreten. Es sind Fachleute wie Oli Gründel, die auf tausend Dinge achten — etwa, dass die Entfernung der Schauspieler zum Mikrofon stimmt. Die Dialoge stehen zunächst im Vordergrund; sie nachzuproduzieren kostet unverhältnismäßig viel Zeit und Geld, muss die Dialogspur doch durchgängig sein. Statisten beispielsweise sprechen nicht, ihr Part, sowie die gesamte „Atmosphäre“ und Geräusche, die etwa beim Gehen, Kochen oder Arbeiten an der Tastatur entstehen, wenn sich jemand ein Hemd anzieht, sind im Originalton höchst selten enthalten, um den Dialog nicht zu stören. Diese Aufnahmen werden separat aufgenommen, wobei es möglich ist, selbst Aufgenommenes oder einem Geräuscharchiv Entnommenes bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.
Fast schon legendär in diesem Beruf ist die Entstehung der Peter Jackson-​Version von King Kong: Über 90 Prozent des Film mussten damals nachproduziert werden. Das wäre, sagt Gründel, in Deutschland nicht nur für kleine Produktionen nicht zu finanzieren: „Bei uns gilt ein Set-​Tonmeister als schlecht, wenn nicht 90 Prozent des Materials verwendet werden können. Die Tonspur von Hintergrundgeräuschen säubern, ist ebenfalls eine Herausforderung; richtig still ist es eigentlich nirgends, und dass etwa in einem Mittelalter-​Film keine Motorengeräusche zu hören sind, versteht sich von selbst. Gründel trägt auch dafür Sorge, dass kein Mikrofon zu sehen ist — und wenn er den Kameraausschnitt doppelt und dreifach kontrollieren muss.
Am Film „Sin Reaper“, ein Horrorfilm, über den die RZ noch nicht berichten darf, hat Gründel vom ersten Drehtag an mitgearbeitet. Beim Thriller „Cuddly Toy“ übernahm er lediglich die Nachproduktion. Das bedeutet auch, dass er beispielsweise eine Kamerafahrt durch einen Lüftungsschacht mit den passenden Tönen unterlegt, so wie er auch einen explodierenden Hubschrauber hörbar machen kann. Zur besonderen Herausforderung geriet eine Audi-​Fahrt. Gedreht worden war lediglich mit einem einzigen Mikrofon, dabei hätte es zwei für den Innen– und zwei für den Außenraum gebraucht, zudem Funkmikrofone am Auspuff und unter der Motorhaube, und das kostet gut und gern 400 Euro pro Tag. Wollte man eine solche Szene nachproduzieren, müsste genau das selbe gemacht werden wie bei den eigentlichen Dreharbeiten — und das ist einfach aufwändig.
In solchen Fällen greift ein Sound-​Designer gerne auf Konserven zurück; Gründel hat Zugang zu großen Archiven und sich auch eine ganz beachtliche Privatsammlung zugelegt, doch während es Aufnahmen von Acht Liter-​Motoren aus den USA en masse gibt, jeden Sportwagen in allen Variationen, suchte er den Audi A 6 vergeblich: Die Autofahrt geriet schließlich zum – überraschend gelungenen – Musikvideo. Bei einer so kleinen Produktion sind Phantasie und Kreativität in besonderem Maß gefragt.
Es ist gelungen. Im Film spielt Schauspieler Andreas Stenschke einen 27-​jährigen recht wohlhabenden Luxemburger, der eines Morgen einen Teddybär auf seinem Nachttisch vorfindet, das Plüschtier in einen Karton packt und auf den Dachboden bringt. Am nächsten Morgen jedoch sitzt es wieder auf dem Nachttisch: „Und es passiert jeden Morgen wieder“, ist der Untertitel. Fängt relativ harmlos an, wird aber bald zum Spiel um Leben und Tod — und alle sind verdächtig. Oli Gründel sorgt dafür, dass nicht nur all die Umweltgeräusche beim Publikum ankommen, sondern auch das Bedrohliche, die Spannung, von der der Film lebt.
Gründels Freundin und seine Familie unterstützen ihn nach Kräften, nicht zuletzt, indem sie seine eigentlich unmöglichen Arbeitszeiten mittragen. Die Dozententätigkeit sichert ihm ein gewisses Grundeinkommen. Mit den Independentfilmen, hergestellt mit wenig Geld und unter hohem Zeitdruck, lässt sich nicht viel Geld verdienen, schon eher mit seinen Imagefilmen etwa für eine Luxemburger Spedition. Dass er ab und zu in einer Kneipe jobbt, ist vor allem der Freude an der Abwechslung geschuldet. Arg viel Zeit verbringt er nämlich mittlerweile am Computer. Wenn’s nur nicht so viel Freude machen würde.

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