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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Karibik-​Flair, Tierkinder und ein Drama: Zirkus Probst in Gmünd /​Wie eine Tragödie die Familie beinahe zerbrechen ließ

Wer Zirkus machen will, richtig gut, und sich behaupten damit, muss immer auch Geschichten erzählen, die das Publikum anrühren. Bei einem Besuch im Zirkus Probst gestern wurde deutlich, in welchem Maß daran gearbeitet wird. Und dass das Leben selbst immer eine eigene Geschichte erzählt.

Mittwoch, 31. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 26 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Es war in Havanna. Brigitte Probst verguckte sich in der kubanischen Hauptstadt in eine Show, die junge Artistinnen und Artisten für den kubanischen National-​Circus erarbeiteten. Die karibischen Rhythmen, die bunten Kostüme, die Verbindung gleich mehrerer artistischer Disziplinen, und das Ganze verbunden mit folkloristischen Elementen und ansteckend guter Laune: Das war einfach perfekt. Brigitte Probst erreichte, was vor ihr noch niemand geschafft hatte: Sie meisterte den Spagat zwischen lateinamerikanischer Gelassenheit und der hierzulande unerlässlichen Planungsssicherheit, sie stemmte langwierige Genehmigungsverfahren, regelte all die Transport– und Ausreisefragen und ist jetzt stolz, das elfköpfige Ensemble präsentieren zu können. Die Chefin der Truppe erwartet ein Baby, und es ist faszinierend zu sehen, wie in der Welt des Zirkus alles möglich zu sein scheint — solange man zusammensteht.
Reinhard Probst führt in eine ganz andere Welt. Sein großes Exotentableau führt zwölf verschiedene Tierarten aus fünf Kontinenten zusammen. Auf Raubtiere verzichtet das Unternehmen mittlerweile und gibt sich alle Mühe, jedem Tier gerecht zu werden: Die Familie weist darauf hin, dass viele ihrer Tiere deutlich älter werden als die wild oder in Zoos lebenden Vettern. Natürlich sind immer wieder die Tierkinder von Interesse, aber auch Raritäten wie das „Zebroid“. Zebra-​Pferd-​Mischlinge gibt es vor allem in den USA, doch in diesem besonderen Fall ist nicht der Papa, sondern die Mama ein Zebra, Stute „Kenia“, die sich mit dem Shetlandponyhengst „Prinzi“ so gut verstand, dass die Verbindung irgendwann Früchte trug; weltweit ist diese Konstellation kein zweites Mal bekannt. Und so kam rund ein Jahr später, im Sommer 2008 „Jambo Prince of Kenia“ auf die Welt, der das braune Fell des Papas mit den Streifen der Mama verbindet, den ponytypisch ausgeprägten Kopf mit der in Teilen nach Zebraart strubbelig abstehenden Mähne.
Geschichten sind wichtig. Was das Neshäkchen der Familie, Stephanie Probst, mittlerweile 24 Jahre alt, inszeniert, erinnert an „Tausendundeine Nacht“. Mit sechs hat sie Ponys präsentiert, mit zwölf Araber, und so hat sie sich als Deutschlands jüngste Tierlehrerin einen Namen gemacht. Heute stellt sie nicht nur Araber und Friesen vor, sie hat auch mit Kamelen, einem weißen Dromedar und drei Araberhengsten drei Tierarten des Orients vereint, deren Temperament nicht unterschiedlicher sein könnte.
Eigentlich sollte ihre große Schwester Sonja als Trapezkünstlerin die Show mitgestalten. Aber vor zwölf Jahren, da war sie gerade mal 15, stürzte sie aus der Zirkuskuppel in die Tiefe, lag mit schlimmsten Schädelverletzungen im Koma, und in mittlerweile 16 langstündigen Operationen haben zahlreiche Schrauben und Eisenplatten ihre Schädelknochen wieder in die richtige Form gebracht. Sie hat überlebt, ganz knapp, ist aber, wie ihre Familie, von diesem Albtraum gezeichnet: Das Leben, das sie sich vorgestellt hatte, war beendet, noch bevor es richtig begonnen hatte. Der Unfall ist immer präsent im Zirkus Probst, nicht nur, weil demnächst eine neue OP ansteht.
Sonja Probst hat sich in der Zwischenzeit eine neue Karriere als Clown Lolli aufgebaut. Aber ihren Eltern machte das Ganze so sehr zu schaffen, dass sie Sohn Andreas, der damals mit anderen gemeinsam für die Todesrad-​Darbietung trainierte, aus der Manege nahmen. Heute ist der „Bub“ 21, ein gestandener Mann und ganz allein für die komplette Logistik zuständig, für immer neue und modernere Technik bis hin zu den Ton– und Lichtspielen. Wenn sich das Publikum in den nächsten Tagen gut amüsiert, ist das auch ihm zu verdanken.

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