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Evangelische Christen in Untergröningen sorgen sich um ihre Pfarrstelle

Die Untergröninger fürchten um ihre Pfarrstelle. Das ist noch nicht beschlossen; die aktuelle Entwicklung aber gibt Anlass zu grundsätzlichen Überlegungen, sogar zur Zukunft der evangelischen Kirche selbst

Montag, 01. Oktober 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

ABTSGMÜND-​UNTERGRÖNINGEN (bt). Die 720 evangelischen Christen, um die sich der Untergröninger Pfarrer Jürgen Zwirner kümmert, sind fraglos eine sehr kleine Gemeinde. Nachdem das Nachbardekanat definitiv eindreiviertel Stellen abbauen soll, ist zu befürchten, dass die Kochertalgemeinde von den anstehenden Kürzungen betroffen ist. Dazu gab es jüngst eine Gemeindeversammlung. Pfarrer Zwirner informierte zunächst darüber, dass die Landeskirche Württemberg mit ihrem Pfarrplan ein Drittel der Pfarrstellen durch Kürzungen bzw. Zusammenlegung einsparen wolle. Er blickte auf die in seinen Augen sehr bedenkliche Entwicklung der evangelischen Landeskirche in Hessen-​Nassau und befürchtete für Württemberg ähnliches. Auf der einen Seite, so beschrieb Zwirner die aktuelle Lage, gebe es sinkende Mitgliederzahlen; die klassische kirchliche Arbeit erreiche immer weniger Menschen. Nunmehr würden „auf oberer Ebene Programme entwickelt, die die Attraktivität der Kirche steigern“ sollten. Tatsache sei aber auch, dass die Landeskirche sehr wohl über ausreichend Rücklagen verfüge; von einer Finanzkrise könne also keine Rede sein kann. Er sei sich zudem ganz sicher, dass im ländlichen Raum kein „Programm von oben“, sondern ein Pfarrer im Ort als Prediger und Seelsorger gefragt sei.
Die Untergröninger befürworten nun als „Vorschlag zur Güte“, dass Untergröningen als echte 50 Prozent-​Stelle mit einem Pfarrer vor Ort erhalten bleibt und die Geschäftsführung nach Obergröningen abgegeben wird. Der Kirchengemeinderat um Gudrun Geißler befürchtet allerdings, dass man mit diesem Vorschlag scheitern wird.
Württembergs Kirchenleitung gebe offen zu, wurde in der Diskussion betont, dass mit 1,7 Milliarden erhebliche Rücklagen vorhanden seien. Das Bedürfnis einer ländlichen Gemeinde sei zudem ganz einfach zu definieren: „Die Herde braucht ihren Hirten.“ Und schließlich müssten Christen reagieren, wenn Evangelium und Bekenntnis einem Umbau der Kirche vom „Leib Christi“ zu einem Großunternehmen diametral entgegen stünden.
Natürlich gehe es, so Pfarrer Zwirner und die zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats Gudrun Geißler im Gespräch mit der RZ, zuerst um den Erhalt einer Pfarrstelle in Untergröningen – „was wir vehement fordern“. Dazu wurde nunmehr eine Unterschriftenliste an einigen öffentlichen Orten im Dorf ausgelegt; eine „Von Haus zu Haus“-Aktion in allen Evangelischen Familien ist geplant. Neben allen evangelischen Konfirmierten sollen übrigens auch „Unterstützer“ anderer Konfessionen aus Untergröningen unterschreiben dürfen.
Darüber hinaus widmet sich die Gemeinde aber auch „der Zukunft unserer Kirche als Ganzes“. Deshalb wurde Pfarrer Zwirner von der Gemeindeversammlung und dem Kirchengemeinderat einstimmig beauftragt, in der Kirchenbezirkssynode folgenden Antrag zu stellen: Die Synode solle „jegliches weiteres Mitwirken am Pfarrplan schlicht verweigern“. Eine Finanzkrise sei bei stabilen, momentan sogar steigenden Kirchensteuereinnahmen nicht nachvollziehbar. Weiter heißt es: „Für uns gilt Martin Luthers Schriftprinzip: Allein die Schrift. Die Bibel aber legt uns klar Vertrauen und keine heidnische Sorge und götzendienerischen Mammonsdienst ans Herz (Evangelium nach Matthäus Kapitel 6)“. Alle Pfarrer und Kirchengemeinderäte hätten sich zudem verpflichtet „im Aufsehen auf den alleinigen Herrn der Kirche, Jesus Christus, jeglichen Schaden von derselben abzuwenden“. Das werde ernst genommen. Der gesamte Kirchengemeinderat, so Gudrun Geißler, trage dieses Stellungnahme mit.
„Die Kirche im Dorf lassen“ – wichtiger denn je
Gaildorfs Dekanat ist derzeit verwaist; Dekanstellvertreter Rainer Zube meinte zu den im Kochertal laut werdenden Befürchtungen, die Diskussion sei „noch nicht öffentlich“. Fest stehe, dass im Nachbar-​Dekanat bis 2018 eindreiviertel Pfarrstellen abgebaut werden müssen. Viertelstellen lassen sich unter anderem über eine Vakaturverlängerung einsparen; wenn zum Beispiel die Stelle in Untersontheim frei wird, darf sie zehn Monate nicht wieder besetzt werden. In jedem Fall aber wird es einen Stellenabbau geben. Rainer Zube versicherte gestern, endgültig stehe noch nicht fest, wo; diese Entscheidung obliege der Bezirkssynode, die am 13. November tagt. Und selbst dann sei nichts beschlossen: Der Kirchenbezirk könne nur eine Empfehlung an den Landeskirchenpfarrplanausschuss aussprechen und „erklären, wie wir uns das vorstellen“. Entschieden werde letztlich aber auf Landeskirchenebene. Zube: „Wir hoffen natürlich, dass man sich an unsere Empfehlungen hält“; der Ausschuss habe aber durchaus die Macht, anders zu entscheiden. Über welche Pfarrstelle derzeit diskutiert wird, wollte Zube definitiv nicht öffentlich gemacht sehen.
Dekan Immanuel Nau vom evangelischen Kirchenbezirk Schwäbisch Gmünd bestätigte, dass es verschiedene Pfarrplanphasen gab und gibt. Bis 2018 müssten in der Landeskirche knapp hundert weitere Pfarrstellen abgebaut werden; bis 2024 steht dann eine weitere dieser Pfarrplanphasen an – die wiederum gewachsene Gemeinden empfindlich treffen wird. Diese Entwicklung ist, so Nau, weniger den Kirchenaustritten als vielmehr der demographischen Entwicklung geschuldet: Bis 2030, so werde hochgerechnet, schrumpfe die evangelische Bevölkerung um ein Drittel.
Untergröningen würde es hart treffen, Pfarrer Jürgen Zwirner zu verlieren, das ist dieser Tage oft zu hören. Er ist seit 30 Jahren Pfarrer und gerne in einem Dorf, in dem das Gemeinschaftsgefühl noch immer stark sei. Zwirner hat die Zusage, in jedem Fall bis zu seiner Pensionierung bleiben zu können. Ihm geht es vor allem um eine „geschwisterliche, solidarische Kirchengemeinschaft“. Im Gespräch mit der RZ hat er Anfang 2011 in einem Bericht über Möglichkeiten, einer Kirchengemeinde Leben zu geben, gesagt, es sei wichtig, die Kirche im Dorf zu lassen: „So viele Gemeinden wurden mittlerweile zusammengelegt, so vieles verloren gegeben.“ Im Kochertal war die Kirchenwelt damals noch in Ordnung.
Seit Zwirner die Kirchengemeinde übernommen hat, sind es im Schnitt 30 bis 40 Gläubige, die am Sonntag den Gottesdienst besuchen – nicht wenige größere Gemeinden erreichen diese Zahl bei weitem nicht.
Der Geistliche erklärt sich diese Entwicklung mit einem schlichten „mit Geduld und Liebe“. Von Anfang an verstand er die Kirche als Teil eines Netzwerks. Er arbeitet mit dem Kindergarten zusammen, hält „mit großer Freude“ den Religionsunterricht und führte unter anderem den Schulgottesdienst ein. Er hat die Schöpfungs– oder Garten-​AG ins Leben gerufen, Erntebittgottesdienste, Männergottesdienst und Männervesper. Hirte will er sein. Darin sieht er seinen Auftrag.

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