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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Warum ein 19-​jähriger Nigerianer nach Deutschland geflüchtet ist

Der Kerle ist 19 Jahre alt. Er kam alleine nach Deutschland. Vater und Bruder, erzählt er, wurden umgebracht. Er sagt, dass er Angst hat in seiner Heimat Nigeria. Und erklärt, was ihn dazu bringt, auf dem Marktplatz zu schlafen, zu essen, zu protestieren.

Freitag, 05. Oktober 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 49 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Obinna Nnuli hält die Aufenthaltsgestattung in der Hand; das ist sein Ticket in ein Leben ohne Angst. Erst vor zwei Tagen, erzählt er, haben bewaffnete Angreifer an einer nigerianischen Universität ein Blutbad angerichtet und mindestens 26 junge Leute getötet. Als bekennender Christ fühlt er sich in Westafrika verfolgt von der muslimischen Mehrheit. Und er will nicht in einem Land leben, das die Scharia wieder eingeführt hat, das islamische Recht, in dem die Todesstrafe auch bei Minderjährigen angewandt wird und Bürgerwehren, Schutztruppen, Milizen, Geheimbünde und Gangs die Bevölkerung terrorisieren. Frei nach den Bremer Stadtmusikanten: Etwas Besseres als den Tod findet er überall.
Im gestrigen Regensturm erklärte er, vom improvisierten Schutzzelt nur notdürftig vor Feuchtigkeit geschützt, was es mit der Gemeinschaftsunterkunft auf sich hat. Und warum er sich dem Protest angeschlossen hat. „40 Menschen und eine Toilette, 40 Menschen und eine Küche“, etwa, sei unzumutbar. Das Gebäude sei marode und unsicher und schmutzig – letzterem könnte abgeholfen werden, doch es fehle sogar am Putzmaterial. Die Baustellen auf dem Gelände, die nicht richtig abgesichert seien, gefährdeten die Kinder, das Leitungswasser sei verdreckt und die Brandschutzvorrichtungen unzureichend. Das Lagerleben sei erschöpfend, auch die permanente Angst vor Abschiebung setze die Flüchtlinge unter Druck: Viele litten unter Depressionen und hätten Selbstmordgedanken.
Obinna Nnulis größter Wunsch ist, arbeiten zu dürfen und eigenes Geld verdienen zu können, und damit spricht er den anderen aus der Seele: Neben dem Problem der Unterbringung gibt es noch andere Anliegen – Abschaffung des Sachleistungsprinzips, die Erteilung von Arbeitserlaubnissen, ein Abschiebestopp und grundsätzlich ein Bekenntnis zu den „Menschenrechten für alle Menschen“.
Die Gemeinschaftsunterkunft auf dem Hardt inklusive zweier angemieteter Wohnungen in der Bethlehemer Straße platzt aus allen Nähten. Da viele Einzelzimmer mit Erkrankten belegt sind und aufgrund familiärer und ethisch/​religiöser Konstellationen nicht alle Zimmer komplett belegt werden können, ist die Kapazität dieser Unterkunft vollständig ausgeschöpft – und noch immer kommen drei-​, viermal mehr Flüchtlinge als in anderen Monaten, mit weiter steigender Tendenz. Dass es dringend notwendig ist, möglichst bald neue Unterkünfte zu finde, war auch gestern wieder allerorten Thema. Durch diese Entwicklung und die neuen Gesetze erwartet der Ostalbkreis i fürs Jahr 2014 bereits jetzt einen Mehraufwand von 450 000 Euro – und wenn die Zahlen weiter so steigen, reicht das nirgends hin, wie Landrat Pavel und Geschäftsbereichsleiter Hans-​Michael Betz erklären: Mit dieser staatsbürgerlichen Aufgabe dürften Kommunen und Landkreise nicht allein gelassen werden.

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