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Wenn der Tod eines Kindes zum Vermächtnis wird: „Sonnenkind“-Autor Hardy Schober bei Matinee in Waldstetten

Viele waren am Morgen des Totensonntags zusammengekommen, um Hardy Schober zuzuhören, der seine Tochter beim Amoklauf in Winnenden verloren hat und seither im Aktionsbündnis „Amoklauf Winnenden“ mitarbeitet.

Montag, 26. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 19 Sekunden Lesedauer


Von Brigitte Düppe
WALDSTETTEN. In seinem Buch hat er selbst versucht, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten und er hat sich bereit erklärt, an diesem besonderen Sonntagmorgen daraus zu lesen und zu erzählen, was nicht selbstverständlich und auch nicht leicht für ihn war.
Die Musik zu Beginn erwies sich als sehr hilfreich Es war nämlich nicht nur eine übliche Umrahmung eines Vortrages, den die Musikschullehrer Thilo Schimmele auf der Gitarre und Volker Held am Kontrabass leisteten. Die zwei Jazzduo-​Titel halfen, um die Anspannung abzubauen – rhythmisch und doch nachdenklich, ein guter Anfang, wo Worte immer noch schwierig sind.
Bürgermeister Michael Rembold betonte in seiner Begrüßung, dass „wir zusammengerückt sind seit jenem 11.3. 2009, jenem unvorstellbaren Ereignis vor unserer Haustür“.
Auch für den bewährten Moderator Franz Merkle war es dieses Mal eine besondere, berührende Aufgabe, war er doch selbst Klassenlehrer gewesen von der ebenfalls ums Leben gekommenen Michaela Köhler. Nach kurzen Fragen zu Elternhaus und Familie überließ er es dann Schober, was er erzählen und was er lesen wollte.
Dieser begann damit, an ein Ereignis zu erinnern vom 3. Mai 1969, als das Kind Björn Steiger in Winnenden angefahren wurde und sterben musste, weil die medizinische Versorgung fast eine Stunde auf sich warten ließ. Der trauernde Vater hat anschließend gegen viele und lange Widerstände die segensreiche Björn-​Steiger-​Stiftung gegründet, der wir so vieles im heutigen Rettungsdienstwesen zu verdanken haben. Die Überlegung, dass der Tod seines geliebten Kindes nicht umsonst gewesen sein soll, hat ihn damals angetrieben.
Schober sah durchaus Parallelen zu der jetzigen Arbeit des Bündnisses. Wenn er heute immer noch weiterkämpfe, dann gehe es ihm in erster Linie darum, dass das 2009 geänderte Waffengesetz auch eingehalten werde. Nur 3,8 Prozent der Waffenbesitzer mit einer Ausnahmegenehmigung seien seither kontrolliert worden. Trotz vorheriger Anmeldung seien davon jedoch in achtundzwanzig Prozent der Kontrollen Verstöße festgestellt worden. Er forderte die Behörden eindringlich auf, diesen „laxen“ Umgang mit dem Gesetz zu unterbinden. Das koste zwar Personal und Geld, aber den TÜV für ein sicheres Auto bezahle man schließlich ja auch selbst.
Er verurteile nicht generell die Schützen und schon gar nicht die Jäger, die sich bei jedem erfolgreichen Schuss ja auch mit dem Tod auseinandersetzen müssten. Allein fünf Waffenverbände gebe es derzeit in Deutschland, die wiederum untereinander verschiedener Meinung seien. Dazu agiere äußerst erfolgreich noch eine starke Waffenlobby, die bei Politikern durchaus Gehör finde, da jene sich es nicht mit den Wählern verderben wollten. Schober hatte dazu einen konstruktiven Kompromiss-​Vorschlag: Olympische, also kleinkalibrige Waffen sollten erlaubt sein, wenn es bei den Schützen um Sport und nicht um Naturschutz wie bei den Jägern gehe.
Fragen aus dem Publikum zu der Rolle der Medien, zum jetzigen Prozess und zu den Gewinn bringenden Killerspielen schlossen sich an. Schober betonte am Ende seinen Eindruck, dass wir uns in einem Wandel befänden, dass wir mehr hin– als wegschauten. Andererseits wisse er aber ganz genau, dass die Gewaltdarstellungen in den Medien zugenommen habe und dass beispielsweise allein in Baden-​Württemberg vierunddreißig Rechtsradikale mit einem Waffenbesitzschein leben.
Winnenden schien ein Ort zu sein, an dem die Welt noch in Ordnung war – so Merkle am Ende. Er war es nicht und bewegt las er deshalb all die Namen der Toten noch einmal vor.

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