Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Erhebliche Nachteile für den Ostalbkreis: BDK– Bezirksverband Ostalb zur Polizeireform

Der Bezirksverband Ostalb des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hat sich mit der anstehenden Strukturreform der Polizei Baden-​Württemberg befasst – und schlägt Alarm: Orts– und Personenkenntnisse gingen verloren, wertvolle Zeit bleibe buchstäblich auf der Straße. „Das Ziel, mehr Polizei– und Kriminalbeamte zu den Bürgern zu bringen, wird verfehlt“, sagt Bezirksverbandsvorsitzender Hans Maile für den BDK-​Bezirksverband Ostalb. Und: „Es ist letztendlich eine Entscheidung der Politik, ob der Bevölkerung in der Fläche eine wesentlich schlechtere kriminalpolizeiliche Versorgung im Vergleich zu heute zugemutet wird“.

Montag, 20. Februar 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


OSTALBKREIS (pm). „Da die Kriminalpolizei und dadurch auch mittelbar die Bürger durch dieses Reformvorhaben besonders betroffen sind, melden wir uns mit dieser Erklärung öffentlich zu Wort. Im Ergebnis haben wir einstimmig festgestellt, dass der BDK Bezirksverband Ost-​alb die geplante Strukturreform in der jetzt erkennbaren Ausprägung ablehnt. Das Eckpunktepapier der Landesregierung sieht die Auflösung der Kriminalpolizei-​Außenstellen vor. An jedem Standort einer Polizeidirektion soll in Zukunft ein Kriminalkommissariat, mit mindestens dreißig Kriminalbeamten, einfach gelagerte Ermittlungsverfahren führen. Dies führt zu einer Zwei-​Klassen-​Kriminalpolizei. Die ‘Vor-​Ort-​Kripo’ im Kommissariat für einfach gelagerte Fälle und die ‘Spezialisten’ im Präsidium.
Damit zerschlägt die Reform eine hervorragend zur Bearbeitung der regional anfallenden kriminalpolizeilichen Aufgaben funktionierende Struktur. Alle Delikte, die den Bürger direkt betreffen, müssen, im Sinne der Bürgernähe, auch weiterhin von der Kriminalpolizei vor Ort bearbeitet werden. Um dies zu gewährleisten, muss deshalb an die Zentralisierung von Aufgaben und Ermittlungsverfahren ein sehr strenger Maßstab angelegt werden.
Die vorgesehene Reform berücksichtigt nicht im Geringsten die Besonderheiten in einem Flächenlandkreis wie dem Ost-​albkreis mit seinen drei Zentren Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd. Sie verfehlt damit das definierte Ziel, mehr Polizei– und Kriminalbeamte zu den Bürgern zu bringen. Das Gegenteil ist der Fall. Sehr bewusst wurden im Ostalbkreis bei jedem Polizeirevier-​Standort Kriminalpolizeien angesiedelt. Die Kriminalbeamten sind sehr gut vernetzt mit den Polizeirevieren und leisten seit Jahren hervorragende gemeinsame Arbeit.

Die Effektivität der Kriminalpolizei-​Außenstellen im Ostalbkreis wurde, unabhängig von der Diskussion einer Neuorganisation der Polizei, untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass der Betrieb von Kriminalpolizei-​Außenstellen im Sinne der Bürgernähe und der effektiven Bekämpfung der Kriminalität im Ostalbkreis bestens geeignet ist. Weiter wurde bei diesen Untersuchungen festgestellt, dass bei einer zentralen Ansiedlung der Kriminalpolizei für den Ostalbkreis — zum Beispiel am Standort Aalen – die jährliche Arbeitszeit von zwei Kriminalbeamten komplett für zusätzliche Fahrten nach Schwäbisch Gmünd oder Ellwangen verbraucht würde. Auch der Bürger wird bei einer Ansiedlung der Kriminalpolizei an nur noch einem Standort erhebliche Mehraufwendungen haben, wenn er mit kriminalpolizeilich zu bearbeitenden Sachverhalten konfrontiert ist. Ein Zeuge aus Schwäbisch Gmünd findet dann keine kurzen Wege mehr zur Kriminalpolizei-​Außenstelle, sondern muss nach Aalen reisen. Bürgernähe sieht anders aus!
Weiter droht bei Umsetzung dieser Reformpläne die Auflösung der seit vielen Jahren erfolgreich arbeitenden gemeinsamen Ermittlungsgruppen zwischen der Kriminalpolizei und der Schutzpolizei zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und die sehr enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität und dem Jugendschutz. Auch die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung bei der Fahndung und der Kriminaltechnik wäre nicht mehr möglich. Die jetzt bei den Kriminalbeamten, die hier leben und arbeiten, noch vorhandenen detaillierten Orts– und Personenkenntnisse werden verloren gehen.
Nachdem die Präsidiumsstandorte mit den Kriminaldirektionen und dem dort anzusiedelnden Kriminaldauerdienst noch nicht bekannt sind, kann zu den drohenden Auswirkungen eines Präsidiumsstandortes im Großraum Stuttgart nur prognostiziert werden, dass eine solche Entscheidung auch erhebliche Auswirkungen auf die Polizeireviere im Ost-​albkreis haben wird.
Die Wartezeiten an Ereignisorten, die dem Kriminaldauerdienst zu übergeben sind, werden sich durch lange Anfahrtswege erheblich verlängern und so die eingesetzten Schutzpolizeikräfte länger binden als im bislang praktizierten Bereitschaftsmodell der Kriminalpolizei des Ostalbkreises.
Auch die erfolgreiche Arbeit der Kriminalprävention im Ostalbkreis ist gefährdet. Diese Arbeit lebt extrem von der Vernetzung mit Kommunen, Vereinen und Jugendorganisationen. Wenn die bislang in der Kriminalprävention und Jugendarbeit eingesetzten Beamten der Polizeireviere und der Kriminalpolizei künftig in einem entfernt angesiedelten Polizeipräsidium Dienst verrichten, lassen sich diese effektiven Strukturen nicht mehr aufrechterhalten. Auch hier ergeben sich für die Bürger und Belange des Ostalbkreises erhebliche Nachteile. Es ist letztendlich eine Entscheidung der Politik, ob der Bevölkerung in der Fläche eine wesentlich schlechtere kriminalpolizeiliche Versorgung im Vergleich zu heute zugemutet wird.

Der BDK fordert eine Überarbeitung des Eckpunktepapiers unter Einbeziehung der Basisdienststellen und Berücksichtigung der Besonderheiten des ländlichen Raumes, damit diese Belange berücksichtigt werden. Die Akzeptanz einer Neuorganisation hängt ganz entscheidend davon ab, dass „etwas besser“ wird. Dies ist bei der nun in den Eckpunkten vorgestellten Reform bei der Kriminalitätsbekämpfung vor Ort nicht ersichtlich. Um diese befürchteten Auswirkungen abzumildern, sollten die Präsidiumsstandorte so gewählt werden, dass die Präsidien ihre Aufgaben in ihrem Zuständigkeitsbereich entsprechend den regionalen Besonderheiten wahrnehmen können. Hierzu gehört auch, dass die Polizeipräsidien Gestaltungsfreiheiten für ihre regionale Organisation erhalten, um zum Beispiel Kriminalpolizeistandorte im Präsidiumsbereich selbstständig festlegen zu können.
Wenn nur zentralisiert und alles über einen Kamm geschert wird, trifft für diese Reform eher das neue deutsche Wort „verschlimmbessern“ zu. Davon betroffen sind nicht nur die Polizei und Kriminalbeamten, sondern auch die Bürger.“

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

1973 Aufrufe
797 Wörter
4449 Tage 6 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4449 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2012/2/20/erhebliche-nachteile-fuer-den-ostalbkreis-bdk--bezirksverband-ostalb-zur-polizeireform/