Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

FKK: Familiensportgemeinschaft Alfdorf e.V. blickt auf 40 Vereinsjahre zurück

Eingebettet in üppiges Grün und quasi mitten im Wald bei Adelstetten hat die Familiensportgemeinschaft ein ganz besonderes Refugium. Die Liebe zur Natur und die Freude am Sport im Freien zieht sich wie ein roter Faden durch nun 40-​jährige Vereinsgeschichte. Und natürlich die Tatsache, dass sich die Mitglieder gerne nackt bewegen.

Donnerstag, 26. Juli 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer


Von Gerold Bauer
ALFDORF. Als es sich in den 70er-​Jahren so langsam herum sprach, dass in dem kleinen Teilort von Alfdorf „lauter Nackige“ ihre Freizeit im Wald verbringen und dort in Wohnwagen leben, ging bei so manchem konservativ denkenden Bürger die Phantasie durch. Ein neues „Sodom und Gomorrha“ hat man vermutet, sich wilde Sexorgien ausgemalt — und auf diese Weise überhaupt nichts von dem verstanden, was sich die Anhänger der Freikörperkultur auf ihre Fahnen geschrieben haben.
„Nacktheit ist nicht gleich Erotik – und Zotigkeiten sind auf unserem Vereinsgelände verpönt“, stellt Renate Fühl klar. Sie ist mit ihrem Mann Hans seit Jahrzehnten dabei und erinnert sich schmunzelnd daran, dass das Wort „Freizeit“ damals bei der Familiensportgemeinschaft mit „Arbeit“ gleich zu setzen war. „Wenn wir damals die Gartenliege ausgeklappt haben, mussten wir schon fast ein schlechtes Gewissen haben“. Wer sich die Bilder aus der Gründerzeit der Familiensportgemeinschaft Alfdorf e.V. anschaut, erkennt sehr schnell, dass die Gründungsmitglieder echte Pioniere waren. Wo heute befestigte Wege den Zugang zu den Stellplätzen auf dem terrassenförmig angelegten Areal eröffnen, wo gepflegte Hecken und Blumenrabatten den Eindruck einer Parkanlage vermitteln — da war vor 40 Jahren nichts anderes als ein Steilhang. „So ganz nackt waren wir damals gar nicht – jeder hatte Gummistiefel an“, beschreiben die Gründungsmitglieder, wie damals mit Hilfe von Traktoren und Planierraupen, vor allem aber in schweißtreibender Handarbeit die Grundlage für die heute so einladende Vereinslandschaft geschaffen wurde.
Dieses Miteinander galt aber nicht nur für die Arbeit, sondern auch für die Art, wie die Kinder der Gründungsmitglieder aufwuchsen. „Wer schwimmen konnte, durfte sich auf dem Gelände praktisch frei bewegen — und Spielkameraden waren immer da“. Die Rede ist auch von einer Art „Schutzraum“, in dem sich die Kinder ungezwungen bewegen durften. Ein heute 41-​jähriges Mitglied erzählt davon, wie seine Eltern FSG-​Mitglieder wurden, als er fünf Jahre als war. „Ich habe mich immer auf jedes Wochenende gefreut und die Zeit mit den vielen Freunden im Verein sehr genossen“. Sport habe für ihn — und dies ist durchaus repräsentativ für die anderen Mitglieder — immer eine wichtige Rolle gespielt. Tennis, Tischtennis, Volleyball, Schwimmen, Kegeln, Wandern, Radfahren — die Broschüre mit einem kleinen Vereinsporträt gibt Auskunft, welche Möglichkeiten das Gelände bei Adelstetten den Mitgliedern und Tagesgästen bietet.
Hermann Nicklas, inzwischen zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, kam vor 16 Jahren eher zufällig zum Verein, als er einen Stellplatz für seinen Wohnwagen suchte und entdeckte, dass die FSG mit sehr günstigen Stellplatzpreisen aufwarten konnte. Er verbringt mit seiner Frau rund 100 Tage im Jahr in Adelstetten — und für das Stuttgarter Ehepaar ist es jedesmal eine schöne Fahrt ins Grüne. Zwar ist der Beitrag kürzlich leicht erhöht worden, aber die Kosten für die Mitglieder seien immer noch günstig, versichert FSG-​Schatzmeister Peter Wiest, der seit 1977 zum Verein gehört. Denn immer noch werden die nötigen Arbeiten von den Mitgliedern ehrenamtlich erledigt. Zu tun gibt es immer genug, um die vielen Sport– und Gemeinschaftsanlagen so gepflegt zu erhalten und auszubauen.
Ein anderes Mitglied war von Norddeutschland die herrliche Sommerzeit an textilfreien Stränden gewöhnt und konnte sich nach dem berufsbedingten Umzug ins Schwabenland nicht so richtig mit der Atmosphäre in den Freibädern anfreunden. In Adelstetten fand er einen idealen Platz, wo Kinder naturnah aufwachsen konnten. Dass sich seine Tochter zur Zeit wegen der Pubertät nicht so gerne nackt zeigt und lieber zu Hause bleibt, sieht er nicht als Problem an. „Ich übe da keinen Zwang aus“, wirbt er für Toleranz. Dass dies nicht immer so war, erzählen andere Mitglieder. Die Nacktheit war früher ein Gebot, das sehr rigoros gehandhabt wurde – auch bei Kindern und Jugendlichen.
Dass man es in den Anfangsjahren mit der Nacktheit auf dem Gelände strenger genommen hat als heute, war ohne Zweifel auch den Zeitumständen geschuldet. In den 70-​er Jahren waren weite Teile der Bevölkerung in dieser Hinsicht noch sehr konservativ. Wer sich vor anderen auszog und seine Freizeit nackt genoss, hatte in bestimmter Hinsicht auch „revolutionäre Motive“. Die Freikörperkultur — obschon in Deutschland schon im frühen 20. Jahrhundert in kleinen Zirkeln etabliert — war vor 40 Jahren auch Ausdruck einer alternativen Denkweise. Mit den Kleidern wurden auch kleinbürgerliche Zwänge abgestreift. Man suchte die Nähe zur Natur und zu einer möglichst natürlichen Lebensweise. Die Mitglieder waren in einer echten Aufbruchstimmung und deshalb auch dazu bereit, für ihre Ziele große Leistungen im Ehrenamt zu erbringen.
„Es bedurfte dennoch eines Mannes wie Dr. Karl Klein, der als Visionär die anderen begeistern und motivieren konnte“, sagt Schatzmeister Peter Wiest. Und sein guter Ruf bei den Bauern in der Umgebung als Tierarzt habe sehr viel dazu beigetragen, dass die Familiensportgemeinschaft im Laufe der Zeit die Vorurteile abbauen und sich in der Vereinslandschaft der Gemeinde Alfdorf etablieren konnte. Darüber hinaus sei der — inzwischen verstorbene — Dr. Klein mit seiner Schaffenskraft und seinem Fleiß allen ein Vorbild bei der Gestaltung des Vereinsgeländes gewesen. „Und er hat uns nie vorgehalten, wie viel Geld er aus seinem Privatvermögen in seinen großen Traum investiert hat“, würdigen die Gründungsmitglieder das Wirken ihres „Chefs“.
Dr. Klein, zunächst Mitglied in einem FKK-​Campingclub im Schwäbischen Wald, hatte eigene Vorstellungen vom Vereinsleben und überzeugte andere Mitglieder, einen neuen Verein zu gründen. „Ich habe damals beim Abschied geweint“, erinnert sich Inge Gehrer daran, wie sie mit ihren Mann und einigen Vereinskameraden einen voll funktionierenden, schön angelegten Platz zurück gelassen hat, um quasi in der Wildnis völlig neu anzufangen. „Eine Feldscheune war unser erstes Clubhaus, das wir mit Teppichresten notdürftig isoliert haben.“
Es gab weder fließend Wasser noch Strom oder Telefon. Und die Wohnwagen mussten mit Traktoren geschleppt werden, weil es zunächst noch keine befestigten Fahrwege gab. Eine Bademöglichkeit musste auch erst geschaffen werden — und im Laufe der Zeit hat man Spiel– und Sportplätze angelegt und ein Clubhaus mit Gaststätte gebaut. Technisch versierte Mitglieder erleichterten in einer Zeit, in der man von Handys noch nicht einmal träumte, durch Verlegung einer Sprechanlage die Kommunikation auf dem weitläufigen Vereinsgelände.
40 Jahre sind eine lange Zeit — und vieles hat sich verändert. Die Gründungsmitglieder sind heute im Rentenalter und freuen sich, wenn ihre Kinder und Enkel ihre Wochenenden oder einen Teil des Urlaubs in Adelstetten verbringen. „Wo gibt es das noch, dass man generationsübergreifend miteinander im Urlaub Sport treibt?“ bringen Mitglieder auf dem Punkt, was die FSG so besonders macht.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

6384 Aufrufe
1072 Wörter
4293 Tage 0 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4293 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2012/7/26/fkk-familiensportgemeinschaft-alfdorf-ev-blickt-auf-40-vereinsjahre-zurueck/