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Triumph in Heubach: 400 Menschen gehen aus Protest gegen den Arbeitsabbau auf die Straße

Das hat es in Heubach seit 40 Jahren nicht mehr gegeben: Etwa 400 Menschen gingen auf die Straße, um gegen geplante Triumph-​Entlassungen ihren Protest auszudrücken. Aus Solidarität nahmen viele Mitarbeiter, die nicht von einer Kündigung betroffenen sind, sowie Pensionäre, Mitglieder des Gemeinderats, der Bürgermeister und eine ZFLS-​Delegation teil.

Donnerstag, 26. Juli 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


Von Gerold Bauer
HEUBACH. Der Zeitpunkt für den Start des Protestmarsches von der Fritz-​Spießhofer-​Straße zum Schlossplatz war mit Bedacht gewählt: Um 11.55 Uhr, sprich um „Fünf vor Zwölf – es ist noch nicht zu spät!“, setzte sich der Zug in Bewegung. „Wir sind viele, wir sind laut — weil man uns die Arbeit klaut!“ wurde immer wieder skandiert; auf Transparenten kündigten die Teilnehmer der Protestveranstaltung massiven Widerstand an gegen die Pläne der Konzernleitung, aus Kostengründen eine ganze Abteilung nach Ungarn zu verlagern und dafür in Heubach rund 100 Stellen abzubauen. Dabei ließen weder die Schriftzüge noch die Reden bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz einen Zweifel, dass es dem Betriebsrat und der IG Metall nicht um Verhandlungen im Detail geht, sondern um eine generelle Rücknahme einer als völlig unsinnig betrachteten Entscheidung.
Roland Hamm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall betonte bei der Begrüßung: „Wir haben die Kraft, wir haben die Zeit, und wir wehren uns!“. Er freute sich darüber, dass von vielen Seiten Solidarität mit den Beschäftigten von Triumph gezeigt wird und begrüßte unter anderem Bürgermeister Frederick Brütting sowie Mitglieder des Gemeinderats; ferner die Delegationen der Triumph-​Standorte in München und Aalen und von der ZFLS in Gmünd. Auch viele pensionierte Mitarbeiter(innen) von Triumph zeigten durch ihre Anwesenheit, dass sie mit der geplanten Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland überhaupt nicht einverstanden sind. Namentlich begrüßte Hamm als „alte Kämpfer“ Karl Nimführ, Fritz Bittermann und Doris Heindl. Von der Vorstandsverwaltung der IG Metall in Frankfurt waren Peter Donath und Hans Wettengel nach Heubach gekommen.
Der Heubacher Betriebsratsvorsitzende Thomas Schneidmüller kritisierte das Management und sprach von einer „unausgegorenen Maßnahme ohne Risikoanalyse“. Und fügte hinzu, dass es für die angekündigten Schritte keine vernünftige Begründung gebe: „Das, was sich die Konzernleitung von der Verlagerung verspricht, nämlich kurze Wege und Synergieeffekte, haben wir doch heute schon — und zwar hier in Heubach“. Wenn die Konzernleitung nicht doch noch ein Einsehen habe, verabschiede sich das Unternehmen mit dem Vollzug der Kündigungen aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung. „Wer diese Kündigungen ausspricht, begeht hundertfache Körperverletzung aus niederen Beweggründen“, stellte Schneidmüller klar.
Heubachs Bürgermeister Frederick Brütting war der Schock über die Pläne von Triumph ins Gesicht geschrieben, als er ans Mikrofon trat. „Wir haben gerade eine wunderbare Aufbruchstimmung in Heubach erlebt und konnten sehen, wie sich Leerstände in unserer Stadt wieder füllten und Personal eingestellt wurde — und nun diese Nachricht von Triumph“, verlieh er seiner Fassungslosigkeit verbal Ausdruck. Wie kein anderes Unternehmen stehe Triumph für Heubach — und die Menschen in Heubach seien über Generationen hinweg für Triumph gestanden. „Sie brachten ihre Ideen sowie ihre Arbeitskraft zum Wohle des Unternehmens ein“, würdigte Brütting deren Leistung.
Darüber hinaus habe die Stadt stets dafür gesorgt, dass Triumph in Heubach optimale Standortbedingungen hatte, sagte der Bürgermeister und nannte als jüngstes Beispiel die Investition der Stadt in das gemeinsame Kindertagsstätten-​Projekt „Triumphini-​Kinderwelt“. Der Begriff „sozialverträglicher Abbau von Arbeitsplätzen“ führe in die Irre, weil es für keinen der Betroffenen sozial verträglich sei, den Arbeitsplatz zu verlieren. Er hoffe daher sehr, dass die Geschäftsleitung nun innehalte und die Kündigungspläne nochmal überdenke. Den Mitarbeitern rief Bürgermeister Brütting zu: „Seien Sie stolz auf Ihre Leistung und die Qualität Ihrer Arbeit — niemand in Europa kann da mithalten!“
Der Vorsitzende des IG-​Metall-​Vertrauenskörpers der ZFLS, Andreas Reimer, unterstrich: „Es ist unfassbar und unglaublich, wie kaltherzig und arrogant die Firmenleitung mit Menschen umgeht“. Lediglich mit einer kurzen Mitteilung sei nach Heubach durchgegeben worden, dass 100 Arbeitsplätze abgebaut werden — und dies mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung. „Wer hätte das gedacht, als im vergangenen Jahr in Heubach das Triumph-​Firmenjubiläum gefeiert und geschäftsführende Gesellschafter zu Ehrenbürgern der Stadt gemacht wurden. Zu dieser Zeit haben sie womöglich schon die Pläne geschmiedet, Arbeitsplätze in Heubach zu streichen!“. Aus reiner Profitgier und als Folge eines Missmanagements werde von Triumph die eigene Firmengeschichte mit Füßen getreten, sagte Reimer — und dies, obwohl sich Betriebsrat und Gewerkschaft in Krisen immer kompromissbereit waren.
„Das Einzige, was wir von der Firmenleitung hören wollen, ist die Rücknahme dieser unsinnigen Verlagerung nach Ungarn!“
Roland Hamm, IG Metall
Roland Hamm ließ allerdings keinen Zweifel, dass es nun mit der Kompromissbereitschaft vorbei sei und die IG Metall über den Abbau von Arbeitsplätzen überhaupt nicht verhandeln werde. „Das Einzige, was wir von der Firmenleitung hören wollen, ist die Rücknahme dieser unsinnigen Verlagerung nach Ungarn!“ Man sei bereit, sich mit den Mächtigen anzulegen und denen klar zu machen: „Wenn Triumph in Heubach verreckt, verreckt auch Heubach — und deshalb gehen die Kündigungen auch alle in der Stadt etwas an.“ Die Arbeitgeber müssten auch endlich damit aufhören, Arbeitsplätze in Deutschland schlecht zu machen, forderte Hamm und stellte klar: „Die Märchenstunde der Konzernleitung ist vorbei. Was den Arbeitnehmern wirklich hilft, ist eine starke Gewerkschaft. Und wir werden solange den Betriebsablauf bei Triumph stören, bis die falsche Entscheidung zurück genommen wird!“

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