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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Mit so wenig Geld so viel erreichen: Gerlinde Maier überbrachte in Neu-​Delhi Spendengelder für Nicole Mtawas Kinderheim

Mit dem beim Benefiz-​Spinning in Wetzgau gesammelten Geld machte sich Gerlinde Maier auf den Weg nach Indien — um die Spenden zu übergeben, aber auch um drei Wochen lang mitzuarbeiten im Kinderheim der Gmünderin Nicole Mtawa.

Mittwoch, 05. September 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Über ihre Tochter hat Gerlinde Maier von der jungen Gmünderin erfahren, die die Bücher Sternendiebe und Sonnenkinder geschrieben hat. Nicole Mtawa, geborene Gyurkovitis, ist einen weiten Weg gegangen, seit sie bei der Stadtjugendkapelle Querflöte gespielt hat, seit ihrem Abitur 1998 am Scheffold-​Gymnasium und seit ihrem Aufbruch aus der Stadt, der sie in jeder Beziehung an Grenzen gebracht hat. Das Engagement Nicole Mtawas für die Straßenkinder in Tansania und nun für schwerbehinderte Kinder in Indien führte zur Gründung des Vereins Human Dreams. Für diesen Verein haben die Schwestern Elke Peischl (RRC Petticoat) und Gerlinde Maier gemeinsam mit den Sportlern des TV Wetzgau und vielen Teilnehmern, etwa der Gmünder Feuerwehr, in einer Spendenaktion über tausend Euro gesammelt — die RZ berichtete -, die Gerlinde Maier nun überbracht hat. Sie wollte im von den Mtawas gegründeten Heim mitarbeiten und sich persönlich davon überzeugen, dass das Geld richtig eingesetzt wird.
Gerlinde Maier, selbst pädagogische Fachkraft mit Montessori-​Diplom, erzählt von ihrem seit langem gehegten Wunsch, in einem solchen Heim mithelfen zu können. Als sie Kontakt aufnahm, wurde sie umgehend eingeladen und so trat sie die Reise nach Indien an, auf diesen Subkontinent, der Supermacht und Entwicklungsland in einem ist, der schier unvorstellbare Armut kennt, und in dem Behinderte „gar keinen Stellenwert haben“, so Gerlinde Maier, von dieser Erkenntnis nicht wenig schockiert. Nicole Mtawa, so stellte sie nach einer recht abenteuerlichen Anfahrt durchs vom Monsunregen überschwemmte Land fest, „hat ein sehr schönes Haus ausgewählt und liebevoll eingerichtet“. Nicole und ihr Mann Juma leben derzeit in Australien, wo im Januar ihr erstes Kind zur Welt kommen soll und wo sie auf einer Hühnerfarm arbeiten, um das zum einem großen Teil über „Human Dreams“ finanzierte Kinderheim unterstützen zu können – rund tausend Euro Fixkosten im Monat wollen aufgebracht werden. An Nicoles Stelle leitet Krankenschwester Sarah Kuschel die Einrichtung für insgesamt ein Jahr. Dann gibt es noch Physiotherapeutin Jyoti, zwei Hausmütter und die unverzichtbare Sozialarbeiterin Prah Deebty, um fünf kleine Hausbewohner im Alter zwischen 4 und 14 Jahren durchzubringen sowie fünf behinderte Kinder, die bei ihren Familien in den Slums leben, oft zu fünft in einem kleinen Raum.
Gerlinde Maiers Hilfe war hochwillkommen. Sie selbst „würde am liebsten sofort wieder hin“: Die Kinder sind in dieser kurzen Zeit so wichtig geworden für sie. Da ist Ganesh, der Grund, warum das Heim im Mai 2011 gegründet wurde: Damals bestand der Bub nur noch aus Haut und Knochen, weil ihn niemand fütterte, er aber krankheitsbedingt auf Vollpflege angewiesen war. Dann gibt es noch zwei Kinder mit der so genannten Glasknochenkrankheit — der Kleinere, Rahill, kann nur in Tücher gewickelt transportiert werden: „Aber was für eine Ausstrahlung; wenn er lacht, denkt man, die Sonne sitzt da.“ Der kleinste Schützling überhaupt, eineinhalb Jahre alt, hat zwei Klumpfüße; für ihn wurden eine Operation und Spezialschule finanziert, und es wird wohl nicht lange dauern, bis er, bei diesen Startbedingungen gegen jede Chance, gehen lernt. Sahin wiederum, vier Jahre, lag im Sterben, als Gerlinde Maier Indien verließ. Milap, an Knochentuberkulose erkrankt, ist 14; der Bub mit dem vom Vater verbrannten Rücken ist ihr besonders ans Herz gewachsen: Der Abschied ist ihr furchtbar schwer gefallen. Jüngster Zugang im Kinderpflegeheim ist Kaushal: Mit seinen 5 Jahren wiegt er nur sieben Kilo. Von Geburt an leidet er an Zerebralparese, einer Störung des Nerven– und Muskelsystems, was bei ihm Schluckbeschwerden und Spastik in den Gelenken verursacht. Er hat weder Gehen noch Sprechen gelernt. Nicole Mtawa: „Seine Eltern haben sich auch nicht die Mühe gemacht, weiches oder püriertes Essen zuzubereiten. Verschluckte er sich dann beim normalen Essen, haben sie nach ein paar Löffeln aufgegeben.“
Gerlinde Maier findet’s unfassbar, mit welch geringem finanziellen Aufwand sich in Indien Menschen am Leben halten lassen. Das war ja auch der Grund, warum sich Nicole Mtawa nicht abwenden konnte vom Leid insbesondere behinderter Kinder, um die sich dort einfach niemand kümmere und für die selten Platz sei in regulären Heimen — wenn, würden sie mit Stricken ans Bett gefesselt oder gleich dem Tod überantwortet. Zu erleben, dass sich mit so wenig Geld ein Kinderleben retten lasse, sei ein ganz großes Geschenk, berichten beide Gmünderinnen. Gerlinde Maier erzählt aber auch vom Kampf mit Institutionen, die etwa mit Spezialnahrung tricksen, oder mit Kliniken, die versuchten, mit Hilfe von „Human Dreams“ ihre eigenen Träume von größerem Verdienst wahr zu machen — oder die einfach kein Interesse zeigten, die zu ihnen gebrachten Kinder zu behandeln; da gab’s einiges zu berichten.
Indien macht es Ausländern nicht eben leicht. Bereits die erste Hürde, ein „Volunteer“-Visum zu bekommen, ist ein Kampf, und ohne eine indische Partnerorganisation geht gar nichts. Zum Glück hat sich mit Lehrer Ananta Das ein Partner gefunden, der den Behörden offizieller Ansprechpartner ist.
Weitere Informationen gibt es unter www​.human​dreams​.org. Auf dieser Homepage gibt es auch die neuesten Berichte übers Kinderheim und die Entwicklung der Kleinen.

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