Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Werner Debler erinnerte bei den CDU-​Senioren an das frühere Landeswaisenhaus

Bei der ersten Veranstaltung in diesem Jahr mit dem Thema „Landeswaisenhaus“ wurde ein interessantes Kapitel Gmünder Historie aufgeschlagen. Groß war das Interesse und so konnte Klaus Grimminger, der Vorsitzende der CDU-​Seniorengemeinschaft, viele Zuhörer im „Hasen“ begrüßen.

Mittwoch, 27. Februar 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 25 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (pm). Der Vortrag von Werner Debler, Verfasser zahlreicher stadthistorischer Dokumentationen und Biografien, stützte sich auf zahlreiche Recherchen und Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen. Sein Buch „Geschenkte Heimat“ berichtet über diesen fast schon vergessenen Markstein Gmünder Geschichte.
Staunen und Entsetzen, Trauer und Verbitterung herrschte nach Bekanntwerden der Anordnung des württembergischen Kultusministeriums vom 30. Januar 1934, das Katholische Lehrerseminar in Gmünd aufzulösen und bereits bis zum 9. Februar nach Rottweil umzusiedeln. Der damalige Oberbürgermeister Carl Lüllig verurteilte die Verlegung aufs schärfste: „Der 8. Februar wird in der Geschichte der Stadt als Schmerzens– und Trauertag stehen. Viele tausend Fäden werden zerrissen, die durch 100 und mehr Jahre das Lehrerseminar Gmünd mit dem Land verbunden hat.“
Weil die NSDAP Ende des Jahres 1933 beschlossen hatte, die ehemalige Unteroffiziersschule Ellwangen, in der seit 1923 das Württembergische Landeswaisenhaus untergebracht war, zu räumen, um das Gebäude zukünftig als SS-​Kaserne nutzen zu können, musste das Waisenhaus in ein anderes landeseigenes Domizil umziehen. Der Waisenhausvorstand entschied sich für Gmünd und das Lehrerseminar wurde in das Katholische Lehrerseminar Rottweil eingegliedert.
Innerhalb von nur zwölf Tagen erfolgte der Umzug vom Landeswaisenhaus Ellwangen in das zwischenzeitlich geräumte Gmünder Lehrerseminar. 1936 erfolgten umfangreiche Renovierungsmaßnahmen. Vorstand Albert Leube war danach voll des Lobes: „Durch all diese baulichen Änderungen wurde das Gebäude seiner neuen Bestimmung so angepasst, dass es als ein schönes, gesundes und wohl eingerichtetes Kinderheim gelten kann.“
Die Wochentage waren streng durchgeplant. Nach einer kurzen Morgenbesinnung und dem Frühstück ging es zum Unterricht in die Klassenzimmer, wo mitunter ein strenges Regiment herrschte. Zum Essen trug jeden Tag ein anderes Kind einen Spruch vor. Wer das Geschirr abtrug, durfte danach in der Küche die Töpfe ausscharren und das Geschirr abschlecken. Einem Bericht zu Folge verbesserte sich das Essen nach dem Krieg deutlich. Ein ehemaliger Schüler berichtet: „Das Essen im Waisenhaus war immer recht gut. Es gab samstags und sonntags fast immer einen Nachtisch, Schoko– oder Vanillepudding, manchmal auch Ofenschlupfer.“
Die körperliche Schulung hatte im Lehrplan einen hohen Stellenwert. Bettnässer wurden diskriminiert. Gleich vorne im Klassenzimmer stand die „Schifferbank“ auf der die Bettnässer sitzen mussten. Als zusätzliche Strafe bekamen die Jungen abends eine Woche lang trockenes Brot. Für Kinder war um 20 Uhr Bettruhe, während die Älteren bis 22 Uhr lesen oder spielen durften. Froh und ausgelassen waren die Waisenkinder, wenn sie in Begleitung einer Erzieherin in die Stadt gehen durften. Ab den 50er-​Jahren gab es keine Einheitskleidung mehr und man fühlte sich nicht mehr so sehr im Visier anderer Kinder und Leute. 1945 wurde der politisch belastete Direktor sofort entlassen und der politisch unbelastete Oberlehrer Eugen Walter folgte ihm nach. Dieser tapfere und unerschrockene Pädagoge konnte schnell das Vertrauen der Amerikaner gewinnen. Die Kinder erhielten von ihnen oft Geschenke wie Cadbury-​Schokolade, Erdnussbutter und Grapefruitsaft. An Weihnachten wurden die Kinder sogar in die Bismarckkaserne eingeladen und von den amerikanischen Soldaten beschenkt. Zu Ende ging es mit dem Landeswaisenhaus ab 1946, als Studienrat Deibele vom Kultusministerium den Auftrag erhielt, die Wiedereröffnung des Lehrerseminars in Gmünd vorzubereiten. An den Leiter des Landeswaisenhauses wurde seitens des Kultusministeriums die Frage gestellt, ob angesichts der Unterbelegung und der ernsten Finanzlage des Landes die „Fortdauer dieses Zustands“ verantwortet werden könne. Nach heftigem Schlagabtausch zwischen Kultusministerium und Waisenhauspflege erfolgte schließlich doch die Umsiedlung nach Esslingen und Gmünd erlebte 1953 die Wiedereinrichtung seiner früheren Lehrerbildungsanstalt.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

1699 Aufrufe
580 Wörter
4095 Tage 22 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4095 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2013/2/27/werner-debler-erinnerte-bei-den-cdu-senioren-an-das-fruehere-landeswaisenhaus/