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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Technische Akademie fragt Frauen: Warum nicht Industriemechanikerin?

„Das sind selbstbewusste Frauen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen“, sagt Yvonne Nitsche über die vier am Tisch. Sie sind Umschülerinnen, die sich einen als Männerdomäne geltenden Beruf ausgesucht haben. Sie werden Industriemechanikerinnen und Maschinenführerinnen.

Dienstag, 23. Juli 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 17 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Es ist ein weites gesellschaftliches Feld, auf dem die Technische Akademie in der Lorcher Straße sich bewegt, meint TA-​Geschäftsführer Michael Nanz. Auch die künftige Wissenswerkstatt EULE, auf dem Güterbahnhof-​Areal im Werden, soll es einmal beackern: Mädchen für technische Berufe begeistern, sie motivieren, ihr Berufsleben mit den Buchstaben „MINT“ zu verbinden, die für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik stehen. Berufe, die damit zu tun haben, gelten als zukunftsträchtig.
Clemens Reitzig, der Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in schwäbisch Gmünd, sieht es von der anderen Seite her: Es gibt die Fachkräftelücke in Industrie und Gewerbe. „Man muss am kleinen Rad drehen, vor Ort etwas dagegen tun.“ Deshalb bietet die Agentur Umschulungen für den gewerblich-​technischen Bereich an. Zur Zeit lassen sich 80 Erwachsene auf Metallberufe umschulen. „Sie werden nachgefragt“, so Reitzig, die Metallbranche nimmt sie auf. Die Agentur für Arbeit sieht ihre Aufgabe auch darin, das Berufswahlverhalten von Frauen zu ändern, sagt Barbara Markus. In der ZFLS können Mädchen zum Beispiel technische Arbeitsplätze kennenlernen, an der TA Kurse besuchen.
An der Technischen Akademie endet in Bälde ein Industriemechaniker-​Kurs mit 17 Teilnehmern, im September beginnt der nächste. Meistens sind zwei Frauen in solchen Kursen dabei, eine Minderheit, aber „eigentlich ein Vorteil“, schätzt Ausbildungsmeister Gerold Rieg, „Frauen machen die Gruppen ruhiger.“ Zwei Jahre dauern die Kurse zum Industriemechaniker oder zum Maschinen– und Anlagenführer. Am Ende stehen die Facharbeiterbriefe, in zwei Jahren ist ein Lernpensum zu bewältigen, für das Auszubildende sonst dreieinhalb Jahre Zeit haben. Es sei nie ein Problem, die Frauen unterzubringen, so Rieg, „dieses Mal hatten die Frauen am schnellsten die Zusage auf einen Arbeitsplatz.“
Eine, die Umschülerin war und inzwischen als Industriemechanikerin arbeitet, ist Annegret Weber. Sie war Hausfrau, hatte zwei Töchter – und immer befristete Jobs, zuletzt als Arzneimittel-​Abfüllerin. Sie war nicht zufrieden, „ich kann mehr. Ich war neugierig, ich wollte lernen.“ Die Agentur bot ihr die Industriemechanik-​Umschulung an, sie absolvierte sie mit sehr guten Noten.
„Ohne Unterstützung der Familie wär’ das nicht gelaufen“, blickt sie zurück. „Mein Arbeitsplatz ist gut, ich kann mich entfalten. Es ist nur schade, dass ich so spät dazu kam. Da sollten Mädchen früher rein.“
Aysenur Misirlioglu wird Anlagen– und Maschinenführerin, „eine Super-​Gelegenheit, ich habe es nicht bereut.“ Das Kopftuch sei an der Maschine kein Hindernis. Und die Eltern sind stolz auf die Tochter und unterstützen sie. Sonja Groß arbeitete 20 Jahre im Verkauf, wurde überraschend arbeitslos. „Das war ein Schock mit 37. Ich hatte 20 Jahre lang gearbeitet und war ein paar Monate am Verzweifeln. Das Schlimmste sind Bewerbungen, auf die man überhaupt keine Reaktion erhält.“ Sie möchte nach der Industriemechaniker-​Ausbildung Messtechnikerin werden. Der Umgang mit Metall? „Das muss gelernt werden.“ Am Anfang sei es schon schwer gewesen, sagt Feride Kizilay, „ich kannte die Maschinen nicht.“
Im September beginnt wieder ein Umschulungs-​Kurs. Frauen sind erwünscht. Ein Eignungstest ist zu absolvieren. Eine Arbeitsstelle im neuen Beruf zu finden, dürfte nicht allzu schwer sein, schätzt Yvonne Nitsche: „Die Betriebe kennen die Motivation der Frauen.“ Wobei, wie Reitzig einräumt, Großbetriebe sich leichter tun als kleine Unternehmen. „Aber die anderen müssen umdenken und tun es auch bei Facharbeiterinnen.“

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