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Skispringen: Damen-​Bundestrainer Andreas Bauer blickt auf die Olympischen Spiele voraus

2011 ist er als Damen-​Bundestrainer angetreten, um bis zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi eine konkurrenzfähige deutsche Mannschaft zu formen. Im Exklusiv-​Interview mit der Rems-​Zeitung erklärt Andreas Bauer, warum das funktioniert hat und was er der besten deutschen Skispringerin Carina Vogt im Einzelspringen am 11. Februar zutraut.

Donnerstag, 30. Januar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

Von Alexander Vogt
In Sotschi ist das Damen-​Skispringen erstmals überhaupt eine olympische Disziplin. Was hat das für eine Bedeutung?
Es war ein Meilenstein, als im April 2011 klar war, dass das Damen-​Skispringen 2014 olympisch wird. Erst danach kam der Weltcup-​Zirkus ins Rollen. Früher gab es zehn Springen, mittlerweile sind es 20, bei denen bis zu 70 Mädels springen.
Sie haben 2011 das Amt des Damen-​Bundestrainers übernommen und auf dieses Großereignis hingearbeitet. Es galt, für Sotschi ein Team zu formen, das mit der Weltspitze mithalten kann. Haben Sie das erreicht?
Der Deutsche Skiverband hat 2011 schnell reagiert und unterstützt seither dieses Vorhaben mit einem höheren Etat. Wir haben Leistungszentren in Oberstdorf und Bad Endorf und auch Nachwuchsmannschaften. Da haben wir uns rasant weiterentwickelt, was zum Beispiel solche Nationen wie Polen komplett verschlafen haben.
Was hat die Weiterentwicklung gebracht?
In der Nationenwertung des Weltcups duellieren wir uns mittlerweile mit den Japanerinnen um die Führung, wobei unsere Mannschaft breiter aufgestellt ist. Für Japan macht Sara Takanashi meist 60 bis 70 Prozent der Punkte aus.
Weiterentwickelt hat sich auch Carina Vogt. Was haben Sie mit Ihr gemacht?
Warum?
Weil sie so gut drauf ist wie noch nie. Letztes Jahr war Vogt noch eine Top Ten-​Springerin, heuer erreicht die beste deutsche Skispringerin vom SC Degenfeld konstant Podestplätze.
Carina hat sich vor allem technisch unheimlich verbessert. Sie hat nun eine bessere Körpervorlage über dem Ski, wovon sie bei ihrer Flugkurve profitiert. Und es gibt noch einen wichtigen Punkt.
Welchen denn?
Das Vertrauen zum Bundestrainer und in ihr eigenes Potenzial hat sich verändert. Wir vertrauen uns blind, da hat sich viel getan gegenüber den letzten Jahren. Früher dachte sie oft noch: es kann doch nicht sein, dass ich in der Weltspitze mitspringe und Deutschlands beste Skispringerin bin. Jetzt weiß Carina, was sie kann und hat das entsprechende Selbstvertrauen verinnerlicht, was sie nach außen hin aber nicht immer so rüberbringt.
Carina Vogt betonte schon, sie habe sich im athletischen Bereich enorm gesteigert und verfüge über eine bessere Flugtechnik.
Die größere Körpervorlage macht viel aus. Da steht sie sogar Sara Takanashi in nichts mehr nach.
Die Waldstetterin hat in dieser Saison schon acht Podestplätze geholt. Überwiegt die Freude oder ärgern Sie sich darüber, dass es noch nicht zum ersten Weltcupsieg gereicht hat?
Der eine oder andere Sieg wäre durchaus schon möglich gewesen. Das hat sich Carina aber mit Problemen beim Telemark und schlechteren Haltungsnoten selbst etwas verbaut. Der Telemark ist gerade noch der kleine Knackpunkt. Unser Ziel vor der Saison war, mit der gesamten Mannschaft näher an die weltbesten Springerinnen wie Takanashi heranzurücken. Das ist uns mit Carinas Podestplätzen schon gut gelungen.
Ist Carina Vogt als Zweite des Gesamtweltcups automatisch eine Anwärterin auf die Silbermedaille?
Das ist nicht ganz so einfach.
Warum nicht?
Weil jeder Wettkampf anders ist und an diesem einen Tag in Sotschi dann einfach alles passen muss. Topfavoriten auf die Medaillenplätze sind beim Einzelspringen am 11. Februar andere. Die in dieser Saison schon siegreichen Sara Takanashi, Iraschko-​Stolz aus Österreich und die Russin Irina Avakkumova, die in ihrer Heimat stark einzuschätzen ist. Wir sind nicht Favorit, wird sind ein brandgefährlicher Außenseiter, wollen uns ordentlich präsentieren und oben mitmischen.
Eine Einzelmedaille ist also keine direkte Vorgabe, auch nicht von Seiten des DSV?
Wir setzen uns nicht unter Druck, unbedingt eine Medaille holen zu müssen, werden aber hart dafür arbeiten, sie vielleicht doch möglich zu machen.
Ist die bislang so dominante Sara Takanashi überhaupt zu bezwingen?
Das hat man doch im Weltcup gesehen, da wurde sie ja schon dreimal bezwungen. Und der Abstand auf sie ist schon deutlich kleiner geworden. Entscheidend können auch die Windverhältnisse sein. In Japan trainiert sie viel mit Aufwind. Gibt es im Wettkampf aber Rückenwind, springt sie kürzer. Rückenwind liegt Carina beispielsweise eher als Aufwind. Es können Nuancen sein, die an diesem Tag X dann eine wichtige Rolle spielen. Deshalb sage ich auch immer: Medaillen lassen sich nicht planen.
Liegt Carina Vogt die Schanze in Sotschi?
Ich denke schon. Diese Schanze hat ein ähnliches Profil wie unsere Trainingsschanze in Oberstdorf, auf der Carina in den letzten Jahren oft trainiert hat, weil die Entfernung von Waldstetten zu uns ins Allgäu zum Glück nicht so groß ist.
Zuletzt hatte Vogt Probleme bei der Landung. Lässt sich dieses Handicap noch beheben?
Auf alle Fälle. Die Olympiaschanze wird toppräpariert sein, der Landebereich wird besser sein als bei den Weltcups. Deshalb wird sie damit weniger Probleme haben als zuletzt. Carina kann das und hat das schon oft bewiesen. Sie ist immer gut für hohe Haltungsnoten.
Am Wochenende steht die Generalprobe an, wenn in Hinzenbach in Österreich der letzte Weltcup vor den Olympischen Spielen steigt. Ist schon eine Entscheidung gefallen, ob Carina Vogt an den Start gehen wird?
Seit Neujahr gab es nur zwei Tage, an denen sie zuhause war. Deshalb haben wir sie in dieser Woche bewusst von der Presse abgeschottet. Momentan bringt es nichts, wenn sie den ganzen Tag von Fernsehkameras begleitet wird. Sie soll daheim nochmals zur Ruhe kommen und sich von den Strapazen der vergangenen Wochen etwas erholen.
Dann findet der Weltcup in Hinzenbach ohne Carina Vogt statt?
Nein, die Tendenz geht dazu, dass sie dabei ist, weil sie die dortige Schanze unheimlich gut kennt und dort immer gerne springt. Es kann auch ein Vorteil für Sotschi sein, nochmals neues Selbstvertrauen zu tanken.
Wann geht es dann nach Sotschi?
Wir fliegen am 6. Februar. Am 8., 9. und 10. Februar sind drei Trainingstage auf der Olympiaschanze mit jeweils drei Sprüngen vorgesehen.
Steigen Sie auch mit einem mulmigen Gefühl ins Flugzeug?
Für mich sind das schon die fünften Olympischen Spiele als Trainer, da haut mich nichts mehr um. Ein Bauchkribbeln, so eine gewisse Anspannung, ist aber trotzdem da. Das gehört auch dazu vor so einem Highlight.

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