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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Das Weiße Rössl wird zur runden Sache: Kulissenbau fürs Kolping-​Musical

Es ist ein Späßle. Reiner Schmid hat sich all die Bögen der neuen Kulisse nicht ausgedacht, weil mehr Mitstreiter und durch die späte Fasnet auch mehr Zeit zur Verfügung stehen — die RZ besuchte gut gelaunte Bühnenbauer sechs Wochen vor der Premiere der neuen Produktion des Kolping-​Musiktheaters.

Donnerstag, 09. Januar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle

SCHWÄBISCH GMÜND. Herbert Moll und Willi Krug, beide Profis durch Ausbildung und jahrzehntelange Berufserfahrung, haben auch heuer wieder gute Teile ihres Ruhestandes in die tragenden Teile der Kolping-​Bühnenbilds investiert, und die sind nunmal weitgehend geschwungen. Es gibt Laubengänge, Torbögen und Blumenbögen. Liebende und Leidende, Streitende und zum Lachen Bringende kommen durch Bögen, gehen durch Bögen, wandeln unter Bögen, und all das will von Hand mit einer Stichsäge aus dem Holz gearbeitet werden. Viel Arbeit? Sicherlich. Aber, das sagen sie jedes Jahr, „einer muss es ja machen“. Im unvergessenen Luxuskreuzer in „Anything goes“ wurden während der Vorstellungen einzelne Räume ins Rampenlicht geschoben. Für Sweet Charity gab’s hingegen 18, für den Scarlett Pimpernel gar 20 Szenenwechsel. Reiner Schmid hat die Farben des Spätsommers in einen tristen Saloon des amerikanischen Westens gebracht und auf der Stadtgartenbühne einen rauschen Ball für ein Blumenmädchen und Englands Hochadel inszeniert: Das Kolping-​Musiktheater und Bühnenbildner Schmid haben in den vergangenen acht Jahren bemerkenswerte Projekte gestemmt und damit Erwartungen geweckt. Denen will das Team in der Zapp-​Werkstatt auch mit dem „Weißen Rössl“-Bühnenbild gerecht werden. Heuer gibt es ein dominantes Bild, eben das legendäre Gasthaus am Wolfgangsee, das auf zwei Ebenen Handlung trägt. Im ersten Akt gibt es nichts anderes. Über Beleuchtung wird zwischen Balkonszenen und Ebenerdigem unterschieden, kleinere Elemente unterstützen das Ganze – wenn die Gäste vom Schiff kommen, wird das über eine Reling deutlich gemacht. Das Bühnen-​Rössl spielt mit der Postkartenidylle und Puppenstuben-​Ästhetik des ganz auf die Touristen ausgerichteten Originalschauplatzes. Die Ähnlichkeiten mit dem echten „Weißen Rössl“ sind Programm. Im zweiten Akt gibt es zudem eine Bergwanderung – mit fünf Meter großem Gipfelkreuz, das nach den Aufführungen zu zerlegen schade wäre –, eine Szene am Seebad Wolfgangsee und eine in der Berghütte. Für alles gibt es längst Modelle im Maßstab 1:10. So viel sägen, hämmern, bohren, lackieren für ein Produkt, das nicht wirklich gebraucht wird? Tut’s nicht auch eine Skizze? Nee, sagt Reiner Schmid: Das tut’s nicht. Wie immer steht und fällt für ihn das Gelingen eines Bühnenbilds mit den Bildern, Eindrücken, Stimmungen, die es vermittelt. Vordergründig erleichtert so ein Modell anderer Leute Arbeit – Karren Foster etwa, die die Choreographien erarbeitet, muss wissen, welche Räume ihr zur Verfügung stehen; die Kulissenbauer freuen sich über eine konkrete Vorstellung dessen, was da im großen Maßstab entsteht. Und Reiner Schmid sieht anhand der Modelle, wie gut die einzelnen Bilder aufeinander abgestimmt sind, wie sich Spannung erzeugen lässt, wie durchgängig die Stilisierung verwirklicht ist, wo sie durchbrochen werden muss. Die Bäume sind große Dreiecke; aber eben Dreiecke, die seit Kinderbuchzeiten sofort an Baum und Wald denken lassen. Bei all dem Talent der Mitstreiter wäre es kein Problem, solche Elemente naturalistischer zu gestalten – „aber auch weniger reizvoll“, wie Schmid überzeugt ist. Auf Charakteristisches reduzieren, mit dem Licht spielen Alles bis auf das absolut Notwendige wegdenken, abziehen, entfernen. Nur das Wesentliche belassen, mit einfachsten Mustern wie etwa Dreiecksbäumen arbeiten, mit denen wirklich jeder und jede etwas anfangen kann: Der Ford aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts etwa kommt in einer so reduzierten Umgebung ganz anders zur Geltung, ebenso natürlich die Dialoge, die Musik, die Stars der Inszenierung. Den „Unterbau“ lieferte die Arbeit Wilfried Minks, der aufgezeigt hat, in welchem Maß ein Bühnenbild die Inszenierung prägen kann und soll. Auch im Dialog mit Regisseur Michael Schaumann wird vor allem beim Beleuchtungskonzept vieles gemeinsam entwickelt, um die „Bilder im Kopf“ des Publikums nutzen zu können. Bühnenbild, so Schmid, ist von dramaturgischem Denken bestimmt – oder es ist zwangsläufig aufgesetzt. Die Konzeptkunst eines Ilja Kabakows war ihm Anregung, Max Kellers „Faszination Licht“, Edward Hoppers „Gedanken zur Lichtstimmung“, Studien Caspar David Friedrichs. Reiner Schmid will nur spielen mit „Poesiealbum-​Gedöns“ und Postkartenkitsch, gibt der Poesie aber ausreichend Raum. Gaston Bachelards „Poetik des Raumes“ steht plötzlich im Raum: Auch bei der Rössl-​Inszenierung geht für den Lindacher Bildhauer nichts ohne Philosophie. Joachim Reißmüller, Franziska, Elke und Marisol Huber, Joe Bartoschka, Willi Krug, Herbert Moll, Lukas Traa, Hubert, Benedict und Petra Pauels, Gerd Grimm, Michael Gunst und Holger Schimkat sind ein eingespieltes Team. Sandra Achauer, Peter Heusser, Berthold, Heidrun und Senja Bareiß sind neu dabei, und gerade am Wochenende wird’s oft richtig eng in der Werkstatt. Die Blumen sind Franziska, Elke und Marisol zu verdanken, Hubert hat die Schrift übernommen, Joachim das kleine Boot unter der Zwölfmeterbrücke am Seebad, in dem der schöne Sigismund mit seiner lissspelnden Sssüssen sssitzt, „Keine Namen nennen“, will Schmid freilich; alle arbeiten konzentriert, jeder und jede hat Stärken, und vor allem schenken sie diesem Projekt ihre Freizeit. Traditionell findet die Premiere zwölf Tage vor Aschermittwoch statt, und bis 21. Februar ist – vor allem bei diesem starken Team – noch genügend Zeit fürs so aufwändige Bogenparadies am Wolfgangsee. Das trifft sich einfach gut.

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