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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Stehende Ovationen Im Stadtgarten bei der Premiere der Kolping-​Operette „Im Weißen Rössl“

Die höchsten Auszeichnungen, die ein Publikum zu vergeben hat, gab’s immer wieder mal für Ernst Kittel. Dass ihm das Publikum stehend und singend huldigt, bevor er die Bühne überhaupt betreten hat, ist neu. Diese Ehrung im „Weißen Rössl“, das gestern Premiere feierte, gilt dem Kaiser und irgendwie auch Kittels Lebenswerk.

Samstag, 22. Februar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND. Feststimmung im Stadtgarten – Kolpingpremiere ist immer auch ein Schaulaufen. Dass der Kartenverkauf so gut läuft, zeigt auch, wie groß der Wunsch ist nach einer nostalgischen Zeitreise und nach einem Stück, das vor 85 Jahren einer schwierigen Zeit mit ganz viel heiler Welt begegnete, mit versteckten Frivolitäten, Geistreichem, Albernem und vor allem mit viel Musik.
A hat sein Herz an b verloren, b aber liebt c; c soll d heiraten, der statt dessen mit e anbandelt: Die Handlung zu erklären ist gar nicht so einfach. Die große Stärke des Kolping-​Stücks 2014 ist, dass sich Handlungsstrang um Handlungsstrang wie von selbst in einen ordentlichen Zopf flechten lässt. Und das ist beileibe keiner von den alten Zöpfen, die ihre Zeit überlebt haben.
Josepha Vogelhuber wird von Zahlkellner Leopold heftig verehrt. Das interessiert die gleichermaßen resolute und charmante Rössl-​Wirtin wenig: Sie will Dr. Erich Siedler, der gar so schön zu knödeln weiß. Sie will ihn unbedingt.
Siedler wiederum interessiert sich für Ottilie Giesecke, die mit ihrem reichen Vater, dem Hemdhosenproduzenten Wilhelm, im Rössl eintrifft und kräftig zu den allgemeinen Irrungen und Wirrungen beiträgt. Giesecke erkennt in Dr. Siedler den Anwalt seines Konkurrenten und Prozessgegners Sülzheimer. Um den Prozess zu schlichten, bzw. das Töchterchen zu gewinnen, gehen die beiden eine seltsame Allianz ein: Siedler lässt durchblicken, dass sich der ganze Rechtsstreit ohne weiteres beilegen ließe, käme es zu einer Verbindung von Ottilie und Sülzheimers schönem Sohn Sigismund, die er vorantreiben könne – für ihn ist das jedoch nur ein Vorwand, der Geliebten nahe zu sein. Sigismund ist außerdem verliebt bis über beide Ohren in die lispelnde Linda van Henselman. Wirtin Josepha wirbt unterdes so ungeniert um Dr. Siedler, dass Leopold seinen Rausschmiss provoziert. Gehen freilich kann er nicht, hat doch Kaiser Franz-​Josef sein Kommen angekündigt. Na, und der Kittel, pardon der Kaiser, wird’s schon richten.
Kolping-​Urgestein Walter Böhnlein hat als Spielleiter gleich dreimal auf diesen Stoff gesetzt – 1960, 1976 und 2003 in einer seiner letzten Inszenierungen.
Michael Schaumann hat dann 2005 ein neues Kapitel aufgeschlagen und mit einem jungen Team bis dato Ungehörtes und Ungesehenes auf die Stadtgartenbühne gebracht: Musicals von Irving Berlin, George Gershwin, Cole Porter und Jule Styne. Er holte das Kolping-​Musiktheater ins 21. Jahrhundert und halbierte den Altersdurchschnitt des Publikums. Schaumanns Regiehandschrift und die nunmehr für Kolping typisch gewordene Spielweise, die mit einem Hauch Ironie und vor allem mit ganz viel Spielfreude besticht, ist in einem Maß angekommen, dass bereits im vergangenen Jahr mit „My fair Lady“ ein Traditionsstück gewählt werden konnte, ohne das neu gewonnene Publikum wieder zu verlieren. So überzeugend auch, dass jetzt das Weiße Rössl entstaubt wurde. Sprachwitz und Titel wie „Die ganze Welt ist himmelblau“, „Zuschaun kann i net“, und „Was kann der Sigismund dafür“, lassen im Übrigen keinen Zweifel daran, dass in den späten 20ern auch in Deutschland – das Stück wurde 1930 in Berlin uraufgeführt – durchaus gute, zeitlose Stücke geschrieben wurden.
Noch sechsmal wird sich jetzt der Peter Parler-​Saal füllen für ein Stück, mit dem Michael Schaumann endgültig zeigt, dass er längst mitspielt in der Liga der Profis. Peter Alexander hat diese Rolle einst geprägt – schwierig, sich diesen Bildern zu entziehen –, Schaumann aber schafft es, einem ganz eigenen „Oberkellner Leopold“ Leben zu geben.
Pamela Zottele, die schon in sehr vielen Produktionen erfolgreich war, spielt richtig gut, wenngleich die Lieder nicht ganz auf sie zugeschnitten sind. Vater und Tochter Giesecke werden gespielt von Verena Raab und Wolfgang Krautwig, der als Bierkutscher Alfred P. Doolittle ebenfalls im Vorjahr dabei war; Krautwig, das berlinernde Original, ist wieder mal ein echter Gewinn, von den Schuhplattler-​Versuchen bis hin zum Allgemeingepolter. Überhaupt standen den Kolping-​Kämpen kaum jemals so viele Profis zur Seite wie in diesem Jahr. Vierter im Bunde der „Auswärtigen“ ist Tenor Jens-​Uwe Richter als Dr. Siedler – in dieser Rolle absolut überzeugend. Alexander Bofinger als Komiker Sigismund zeigt Potential – fast sieht man ihn jetzt schon in größeren und großen Rollen. In Anna Bicakci als Linda zeigt sich ebenfalls, dass all die Talenteschmiederei in Gmünd ihre Berechtigung hat, das gilt auch für Simon Ihlenfeld als Piccolo, der eine sehr schwierige Rolle meistert. Thomas Sachsenmaier gibt in bester Rudi– Carrell-​Manier Lindas Papa Jost van Henselman, der in der Gmünd-​Fassung kurzerhand zum niederländischen Holzschuhverkäufer gemacht wurde. Mit dem Weißen Rössl zeigen vor allem die Eigengewächse wie Ihlenfeld, Bofinger, Bicakci und Sachsenmaier, dass dem Kolping-​Musiktheater vor der Zukunft nicht bang sein muss: Wieder schickt sich eine neue Generation an, weiterzumachen. Und dann ist da noch Ernst Kittel, Grandseigneur des Gmünder Theaters.
Michael Schaumann (Regie), Markus Wamsler (Musikalische Leitung) und Karren Foster (Choreografie) haben die Verantwortung übernommen. Die Mitglieder der Philharmonie Schwäbisch Gmünd und Gäste sowie die Kolpingkapelle sind einfach nur Klasse, bis hin zu leise anklingenden Leitmotiven, die großen Gefühlen zugeordnet werden („Zuschau’n kann i net“, „Es muss was Wunderschönes sein, von dir geliebt zu werden“).
Auch die Karren Foster Dancers, sind zu nennen – Vivien Betz, Monika Keller, Elena Foster-​Schramm, Sina Daubner, Nora van Braam, Franziska Maier, Vienna Schepperle und Clara Heusser. Reiner Schmid hat wieder, wie berichtet, das Bühnenbild entworfen, Veronika Kahle mit Merle Weiße, Susanna Wamsler, Heidi Nagel und Petra Pauels die Kostüme. Auch für Elisa Isernia (Regieassistenz), Cristian Conesa Raja (Korrepetition), Dilek Genc und Selma Gaßmann (Frisuren), Jelica Reick und Anna Baranowski in der Maske, Monika Röhrich als Souffleuse und vor allem für Hanne Baranowski (Gesamtorganisation, unterstützt von Catalina Achauer) gab’s Blumengruß und anhaltenden Applaus.

Aufführungen sind heute (22.2) um 15 Uhr, morgen (23.2) 19 Uhr, Freitag, 28. Februar, 20 Uhr, Samstag, 1. März, 15 und 20 Uhr, Sonntag, 2. März 18 Uhr. Es gibt noch Karten.

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