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Entscheidung im Spraitbacher Rat: Niemand war für den Abriss – aber die Mehrheit wollte keine halbe Million in die Sanierung des Backhäuschens investieren

„Nicht durcheinanderreden“, rief ein kleiner Junge. Das war der einzige Lacher am Mittwoch im Spraitbacher Gemeinderat. Mit 10 zu drei Stimmen wurde „schweren Herzens“ gegen das Backhaus entschieden. Jetzt geht es darum, recht schnell festzulegen, was in der Ortsmitte geschieht.

Donnerstag, 01. Mai 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SPRAITBACH (bt). „Wenigstens ein paar der Gebäude sollten bleiben, die Spraitbach ausmachen“, hatte sich bei der Bürgerversammlung am Dienstag eine ältere Spraitbacherin gewünscht. Doris Raymann-​Nowak hatte darauf verwiesen, dass viel zu viele Gebäude bereits gefallen sind, die man hätte erhalten sollen. Und Gemeinderätin Doris Kurz fragte sich am nächsten Tag in der Gemeinderatssitzung, wie die Stimmung in der Gemeinde so schnell koppen konnte – am 12. März hätten sich noch zwei Drittel der Bürgerversammlung für den Erhalt des Backhäuschens ausgesprochen. Wenige Stunden Zeit hätten die Landfrauen zudem nach Eingang einer von Lebensgefahr ausgehenden Stellungnahme des Landratsamtes gehabt, das Backhaus zu räumen; die verheerenden Ergebnisse des Gutachtens aber seien Bürgermeister Baum bereits seit Monaten bekannt: „Das passt alles nicht zusammen.“ Sie plädierte dafür, eine Entscheidung auszusetzen, bis mit einem „Plan C“ wirklich alle Möglichkeiten abgedeckt seien.
Erich Pommerenke versicherte am Mittwoch niemand sei gegen das Backhaus, aber einige hätten sich davon überzeugen lassen, dass eine Sanierung nicht vertretbar sei. Stefan Mord verwies auf das schwindende Interesse der Bevölkerung – am Mittwoch wurden gerade elf Zuhörer gezählt, darunter ein kleiner Junge. Peter Kaiser wollte erneut wissen, wie es zur Diskrepanz zwischen „150 000 Euro für die Behebung der Mängel“ und der nun als Minimum der Sanierungskosten genannten Summe von 520 000 Euro kommen konnte. Bürgermeister Baum und Klaus Waibel erklärten noch einmal, dass bereits mit den von Ingenieur Dieter Wehrstein aufgelisteten absolut notwendigen Maßnahmen zur Behebung der Schäden nach Auskunft des Landratsamtes so weit in die Gebäudesubstanz eingegriffen werde, dass der Bestandschutz verloren gehe. Und damit handelt es sich nach geltendem Baurecht um einen Umbau, der mit einem ganzen Wust von gesetzlichen Bestimmungen verbunden ist – mit Brandschutz, Rettungswegen, Barrierefreiheit, Energieeinsparverordnung und anderem. Zudem wurde auch deutlich, dass mit den 520 000 Euro keinerlei Investitionen, etwa in die Raumaufteilung, abgedeckt sind und dass alle befragten Fachleute angegeben haben, diese Summe sei eher niedrig angesetzt, weil in solchen Altbauten immer mit zusätzlichen Kosten zu rechnen sei.
Gemeinderat Werner Bulling meinte, mit Eigenleistung wäre diese Summe wohl entscheidend kleiner ausgefallen, aber Waibel widersprach entschieden – bei dieser maroden Substanz müssten, im Gegensatz etwa zu den Arbeiten an der Kulturhalle, Fachleute beauftragt werden. Das entscheidende Argument für den Erhalt kam von Doris Kurz, die an 25 Jahre Backtradition erinnerte: „Wir müssen entscheiden, was uns Geschichte und Tradition wert sind.“ Andreas Utz sprach von der „phantastischen Versorgung“ in Spraitbach, die nicht selbstverständlich sei und mit der achtsam umgegangen werden müsse“ – nicht von ungefähr werde die neue Ortsmitte vorangetrieben.
„In der Zukunftswerkstatt wurde klar, was die Gemeinde braucht“
Gemeinderätin Sarah Heide
Einig war sich das Gremium darin, dass eine Entscheidung anstand, lange genug habe man Argumente ausgetauscht, und dass die bisherige Funktion jedes Gebäudes mindestens so gut im neuen Ensemble zu finden sein müsse. Sarah Heide erinnerte an die Zukunftswerkstatt und die Visionen, wie der Ort im Jahr 2025 aussehen solle: „Gebraucht wird eine bürgerfreundliche Gemeinde, ein generationenübergreifend genutzter Platz – wir müssen die Bürger herholen.“ Auch sie wollte „schweren Herzens“ nicht fürs Backhaus stimmen: „Aber vielleicht gehen wir mit neuem Backhaus in die Zukunft.“ Lediglich Doris Kurz, Peter Kaiser und Werner Bulling stimmten dafür, 520 000 Euro, „mindestens“, in die Sanierung zu investieren. Durch die zehn Neinstimmen wird jetzt gemäß der vom Landratsamt gesetzten Frist der Abriss ausgeschrieben.
Das seit Jahrzehnten verfolgte Ziel, einen neuen Mittelpunkt Spraitbachs zu gestalten, führte zum jetzigen Jahrhundertprojekt, das allein durch die Aufnahme ins Landessanierungsprogramm möglich ist. Die entsprechenden Mittel sollten eigentlich bis Ende 2014 verbaut sein. Ein Aufschub konnte erreicht werden: Nun sind bereits mit einer Planung im Vorentwurfsstadium bis Oktober die Voraussetzungen für die Weiterführung des Projekts erfüllt. Das bedeutet allerdings, dass die Gemeinde nicht mehr viel Zeit hat. Nur, welche Planung soll verfolgt werden? Nach der Backhaus-​Entscheidung war den Gemeinderäten nicht mehr nach Wegweisendem zumute. Sie wollen sich nun zunächst ein Bild von gelungenen Maßnahmen in anderen Gemeinden machen, bevor dann in der Sitzung am 22. Mai weiter entschieden wird. Ein ebenerdiger Sitzungssaal, der Multifunktionssaal ist, und die im alten Rathaus verbleibende Verwaltungsfunktion zeichnen sich ab. Wird das „Polizeihaus“, Mutlanger Straße 4, erhalten? Wo wird die Polizei untergebracht, wie können dorfgerechte „Kleinteiligkeit und die damit verbundenen Emotionen“ umgesetzt werden? Der Gemeinderat will in jedem Fall entscheidende eigene Weichen stellen – für beide Büros Zoll und VTG Straub. Utz: „Wenn ich denken lass, lass ich lenken.“

Die RZ berichtete in der Mittwochsausgabe der RZ über die baulichen Mängel („gegen das alte Spraitbacher Backhaus spricht einiges“) sowie über die Bürgerversammlung

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