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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Weltkriegsgedenken am Kriegerdenkmal

Vielleicht wird ein Friedensdenkmal aus der Säule auf dem Marktplatz. Das erhofft sich OB Richard Arnold aus einer neuen Sicht auf das Kriegerdenkmal. Dort und im Rathaus fand gestern das Gedenken am 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs statt.

Samstag, 02. August 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Der konzentriertere Teil der „Gmünder Verstrickungen“ fand im vollbesetzten Sitzungssaal statt, auf dem Marktplatz war es zwischen Baustelle und mit fragendem Blick am eingehüllten Denkmal vorübergehenden Passanten unruhiger. Während im Sitzungssaal die Vergegenwärtigung des Weltkriegs und von Einzelschicksalen im Mittelpunkt stand, ging es auf dem Marktplatz um die Geschichte der Säule selbst und um die Frage nach ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Das Stadtoberhaupt erinnerte an die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts und an die Folgen der unbewältigten Niederlage Deutschlands, die neben anderen Faktoren den Nährboden bereitete für den Zweiten Weltkrieg, dessen Beginn sich heuer zum 75. Mal jährt. Das Kriegerdenkmal erinnere an die Gefallenen beider Weltkriege. Die furchtbare Bilanz des Ersten Weltkriegs seien 16 Millionen Tote, 21 Millionen Verwundete, acht Millionen Kriegsgefangene und Vermisste und unzählige Traumatisierte gewesen. „Angesichts dieser Schreckensbilanz erfüllt uns Dankbarkeit über den politischen Fortschritt in Europa. Die Europäische Union hat zu Recht den Friedensnobelpreis erhalten.“ Das Gedenken des Ersten Weltkriegs sei eine politische Aufgabe, eine Notwendigkeit auch für die Geschichtsvergessenen.
Dank sagte Arnold dem Arbeitskreis Eine Welt, allen voran Cordula Reichert als Impulsgeberin und Eckart Baither für die Holzkonstruktion um die Säule, den Schülern, der Pressehütte Mutlangen, der Reservistenkameradschaft, dem Verband deutscher Kriegsgräberfürsorge, den Vortragenden der Soldatenbriefe und der Gemeinderatsprotokolle sowie Swabian Brass und Coral Alegria für die musikalische Umrahmung. Stadtarchivarin Barbara Hammes und Organisatorin Elke Heer führten zusammen mit Konrad Pflug (Kriegsgräberfürsorge) in die Thematik ein. Pflug rekapitulierte, wie die Wiederaufstellung der Säule die Gmünder Familien 1952 bewegt habe, dann aber das Denkmal aus dem Bewusstsein verschwunden sei. „Es ist alles gut, was hilft, diese Erinnerung zu aktivieren.“
„In einer Demokratie kann man Geschichte schreiben, aber nicht festschreiben“, sagte die Stadtarchivarin. Die Gegenwart beeinflusse die Fragen an die Vergangenheit. Vom „Opfermut“ spreche niemand mehr, und bei den Soldatenbriefen an die Stadtverwaltung sei auf das nicht Gesagte zu achten, auf die Zensur und den Adressaten, auf Stilisierung und Perspektiven-​Verengung. Manches war deutlich genug. So der Satz Johann Pfeifers, der am 12. Dezember 1915 in Nordfrankreich hoffte, „dass das gewaltige Völkermorden ein rasches Ende nimmt.“
Am Kriegerdenkmal forderte OB Arnold eine neue Art der Gedenkkultur. Die „Gmünder Verstrickungen“, Teil der lokalen Friedensarbeit, sollten alte Sehgewohnheiten durchbrechen: „So wird das Gedenken zeitgemäß gestaltet, und wir hüten uns mit neuen Sehweisen vor dem Risiko der einfachen Bewertung der Vergangenheit in Schwarz und Weiß. Geschichte ist so komplex wie die Gegenwart.“ Gedenken dürfe sich nicht in Ritualen erschöpfen, es brauche Dynamik.

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