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Wie die Menschen in Bartholomä vor 70 Jahren das Kriegsende erlebten

Im April 1945 überschlugen sich die Ereignisse auch in Bartholomä. Carsten Weber, der Sprecher des Arbeitskreises Ortsgeschichte, hat das Geschehen in der Albuchgemeinde am Ende des Weltkrieges recherchiert.

Dienstag, 28. April 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 6 Sekunden Lesedauer


BARTHOLOMÄ. Vom Oberkommando der Wehrmacht war nach dem Zusammenbruch der Frontlinie Heilbronn-​Crailsheim der Albrand als nächster großer Verteidigungsabschnitt vorgesehen. Somit kam auch Bartholomä in höchste Gefahr. Seit dem 3. April war Bartholomä mit Infanterie, Funker, FLAK und Instandsetzungstruppen belegt. Auch ein Versorgungslager wurde in den Ort verlegt und eine Ortskommandantur eingerichtet. Im Laufe des Monats trafen immer mehr deutsche Fronttruppen ein, die aber so mitgenommen waren, dass mit ihnen der Albrand nicht zu halten war.
Am 5. April mussten die Schulgebäude den Soldaten überlassen werden. Zudem stieg die Zahl der Flüchtlinge unentwegt an; es waren dies in der Hauptsache Soldaten, Angehörige einer nationalsozialistischen Schule und eines Wehrertüchtigungslagers sowie Zivilisten aus frontnahen Gebieten. Die Belegung des Dorfes wurde allmählich beängstigend eng. Als letzte „Besatzung“ traf in der Nacht des 20. April der Kreisleiter aus Gmünd mit seinem Stab in Bartholomä ein. Sie waren im Begriff in Richtung Oberschwaben zu flüchten. Eine 14-​Jährige schrieb: „Als die Einwohner sahen, dass die Kreisleitung ein Trinkgelage abhielt, sagte jedermann, sie halten ihre Henkersmahlzeit. Ihre Autos waren mit Ess– und Trinkwaren beladen, welche die Leute schon längst nicht mehr kannten.“
In der Nacht vom 23. April, in der Heubach beschossen wurde, sah die Kreisleitung die Zeit für gekommen, sich weiter abzusetzen – nicht ohne aber der Bartholomäer Bevölkerung zu befehlen, den Volkssturm zu organisieren und den Ort zu verteidigen. Wohl gab es Panzersperren nach Heubach, Weiler in den Bergen, Lautern und Essinge. Doch selbst der Volkssturm tat nichts zu deren Sicherung. Die hundert Karabiner im Bartholomäer Rathaus blieben unbenützt!
Am frühen Morgen des 24. April hieß es, die Amerikaner seien in Lautern einmarschiert, aber erst gegen 13.45 Uhr erreichte der erste amerikanische Panzer den Ortsrand von Lauterburg. Sofort hissten einige Bauern in Bartholomä weiße Fahnen. Nachdem auch Heubach von den Amerikanern eingenommen worden war, umgingen sie die Sperren und erklommen über das „Bargauer Kreuz“ das Albuch. Beim Tannenhof wurden sie von einigen Jugendlichen des Wehrertüchtigungslagers Heubach beschossen. Nur auf die deutliche Zusicherung des Bartholomäer Bürgermeisters, dass keine weiteren deutschen Truppen mehr in der Umgebung seien, ließen die Amerikaner das Feuer einstellen. Auf deutscher Seite war ein Unteroffizier gefallen; bei den Amerikanern gab es drei Verwundete.
Am 26. April 1945 erfolgte der Einmarsch der amerikanischen Truppen in Bartholomä. Der damalige katholische Pfarrer von Bartholomä, Leonard Götz, schrieb: „Schon am Vormittag kamen die ersten Panzer. (…) Bald waren die meisten Häuser mit Soldaten besetzt. (…) Die meisten (Soldaten) benahmen sich sehr anständig. (…) Ich selbst ging, mit der Soutane angezogen, durchs Dorf, nahm mit einigen Offizieren Verbindung auf und konnte so mit ihnen zusammen einige schlimme Dinge und Härten bei der Evakuierung verhindern. Plötzlich aber bekamen die Truppen gegen Abend den Befehl zum Abmarsch und wir atmeten befreit auf.“

103 Bartholomäer mussten in sinnlosen Krieg ihr Leben lassen oder wurden als vermisst gemeldet. Zwei Personen aus Bartholomä wurden Opfer der NS-​Euthanasie.

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