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Abbruch des „Sägbocks“ — alles voll unfair?

Fußgänger schimpfen auf Autofahrer und Radfahrer, Radfahrer beschweren sich über Fußgänger und den motorisierten Verkehr — und alle gemeinsam kritisieren die Stadtplaner. Zum Beispiel weil in der Remstraße ein maroder Betonsteg, der „Sägbock“ abgebrochen wurde. Voll unfair — oder? Damit befassen sich die „Marginalien“ der Rems-​Zeitung diese Woche — und wer sie komplett lesen möchte, kann dies hier sogar kostenlos und in vollem Umfang tun!

Sonntag, 29. August 2021
Gerold Bauer
2 Minuten 47 Sekunden Lesedauer

Voll unfair

Das „Sich-​benachteiligt-​Fühlen“ beginnt schon in sehr jungen Jahren. Wer Kinder hat, kennt ihn, den Ausruf „Oh Maaaaannn, das ist voll unfair“. Sei es, weil die Mama abends länger aufbleiben darf, oder der große Bruder ohne Eltern mit dem Freund ins Kino darf, oder die große Schwester schon das Familienauto fahren darf. Strafarbeiten in der Schule werden nach dem Motto „voll unfair“ verteilt. Zeugnisnoten ebenso. Der Ausruf begleitet das Erwachsenwerden als eine Art Konstante. Gönnen können will erlernt werden. Allerdings: Da hier der oder die Betroffene oft selbst keinen Einfluss hat, mag das Empfinden der Benachteiligung verständlich sein. Hier könnte man dennoch ganz philosophisch sagen: „So ist das Leben – hin und wieder subjektiv unfair.“

Es scheint sich bei vielen Menschen durch das gesamte Leben zu ziehen, dieses„Sich-benachteiligt-Fühlen“. Ein lustiges Beispiel sind Autofahrer und –fahrerinnen, die bewusst oder aus Doofheit, ihr Fahrzeug unter dem Parkverbotsschild abstellen und den Strafzettel als „Abzocke“ bezeichnen. Derselbe Unfug war auch von jenen zu hören, die mit dem Auto durch die Vordere Schmiedgasse brausen, wohl wissend, dass sie das nicht dürfen. Ja, ja, die Bußgelder waren auch „voll unfair“.

Jüngst sind es – und auch nicht zum ersten Mal – Fußgänger, die den Abriss einer maroden Fußgängerbrücke für voll unfair halten und sich gegenüber den Autofahrern im Nachteil fühlen, weil „immer nur sie“ auf was verzichten müssen. Denn unfairerweise müssen die, die den Autofahrern erklären, dass zu Fuß gehen doch viel gesünder sei, jetzt runde 30 Meter Umweg zu Fuß hinter sich bringen, um die Remsstraße gefahrlos zu überqueren. Dabei haben sie doch die Vordere Schmiedgasse erst kürzlich als Fußgängerzone bekommen (gut, die Busse müssen noch dort raus). Aber das kurze Stück Straße haben sie doch – voll unfair — den Autofahrern weggenommen.

Die Lächerlichkeit der ewigen Benachteiligung kommt auch beim Dauerthema Impfen deutlich zum Vorschein. Sich impfen zu lassen – egal wogegen – ist freiwillig. Daran wird sich vermutlich auch nichts ändern. Prinzipiell kann es auch jedem egal sein, ob sich jemand impfen lässt oder nicht. Es ist die Entscheidung des Einzelnen. Nur wer eine Entscheidung trifft, der muss – das lernt schon das kleine Kind, das trotz Ermahnung auf die heiße Herdplatte fasst – mit den Konsequenzen klarkommen. Das gilt für das Parkverbot, für die Fußgängerzone, für das Überqueren einer Straße an der falschen Stelle. Die Freiheit der Entscheidung für das eine oder das andere hat ein erwachsener Mensch. Das ist jetzt wiederum unfair den Kindern gegenüber, die haben das nicht immer. Die müssen früher ins Bett – unfair hin oder her. Aber ab einem gewissen Alter sollte ein Mensch doch in der Lage sein, seine Entscheidungen zu treffen. Das kann spontan sein, das kann aber auch nach eingehendem Informieren und genauer Abwägung geschehen. So oder so – eine Entscheidung ist nie folgenlos.

Wer sich impfen lässt, ist weitestgehend geschützt, schwer zu erkranken. Wenn die ganze Familie geimpft ist, besteht kaum eine Gefahr, sich gegenseitig anzustecken. Das sind Fakten. Dennoch ist es das Recht eines jeden, sich dagegen zu entscheiden. Das ist zwar aus Sicht des Geimpften auch irgendwie unfair – aber es geht ihn nichts an. Doch der Ungeimpfte, der dann die Konsequenzen seiner Entscheidung für unfair hält, muss wie das Kind, das früher ins Bett muss als die Mama, lernen: „So ist das Leben – hin und wieder unfair.“ Leichter wird es für diejenigen, die dann neidlos gönnen können. Das tun sie schließlich in dem Bewusstsein, dass sie ihre Entscheidung – und damit auch die damit verbundenen Konsequenzen — selbst getroffen haben. Ist das nicht fair? (Clara)

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