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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Marginalie: Krieg und Fasnet?

Es ist wieder Krieg in Europa. Es fallen Bomben, es sterben Menschen. Es ist passiert, was sich niemand vorstellen konnte. Und plötzlich ist eine unbestimmte Angst da. Aber ist sie auch unbegründet? Schließlich hat ja keiner gedacht, dass Putin ernst machen würde. Viele Menschen machen sich große Sorgen. Dass es eskaliert. Dass einer auf den roten Knopf drückt. Der Krieg in der Ukraine lässt keinen kalt. Darf man da Fasching feiern?

Sonntag, 27. Februar 2022
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 9 Sekunden Lesedauer

Es war der 8. Februar 1991, als die Fastnacht schon einmal wegen eines Krieges ausgefallen war. Sogar der Kölner Rosenmontagsumzug. Es war der zweite Golfkrieg. Der Irak hatte Kuwait überfallen und eine US-​geführte Koalition schlug ab 16. Januar zurück. Der Irak ist weit weg. Bis Kiew sind es aber nur gut 1500 Kilometer Luftlinie. Das ist wenig mehr als nach Madrid oder Stockholm. Wem ist jetzt nach Fasching zumute?
Die Gmender Fasnet ist abgesagt. Kein Rathaussturm am Donnerstag, das Not-​Programm für Samstag nochmals zusammengestrichen. Schunkeln und Krieg – das passt nicht zusammen. Eine Stunde lang wollen die Narren am Samstag trotzdem in kleinen Gruppen Bonbons und Blumen verteilen. Als Zeichen der Verbundenheit. Das ist in Ordnung. Die Menschen lechzen nach Normalität. Und Normalität gibt Sicherheit.
Andere halten ebenfalls an einem Rest Fasnet fest. In Ellwangen, eine weitere Ostalb-​Faschingshochburg, gibt es ein bisschen Guggenmusik und eine Schnitzelbank mit den bissigen Reimen der „Schwarzen Schar“ – aber keinen Alkohol. Humor und gemeinsam erlebte Freude stünden nicht im Widerspruch zu Anteilnahme, Mitgefühl und Respekt, sagen die Narren. Man schaffe eine Möglichkeit, dass die Menschen wieder Kraft für die Zukunft tanken könnten, meint der OB. Denn: Bei vielen sei der Akku leer. Das Motto „Besser als nix“ wurde übrigens vor Kriegsausbruch gewählt. Und: Man behält sich vor, alles doch noch abzusagen, falls sich die Lage in der Ukraine zuspitzt.
Man kann die Argumente verstehen. Viele Menschen sind zwiegespalten. Haben genug von schlimmen Nachrichten. Zuerst die nicht enden wollende Pandemie, jetzt der Krieg. Anderen ist genau deshalb die Lust auf Narretei vergangen. Das kommt sogar aus dem Munde eines leidenschaftlichen Gmünder Karnevalisten. Also, müsste man jetzt nicht mutig sein? Oder ist es gar mutig, Fasnet gerade nicht aufzugeben?
Mut zur Entscheidung hat in dieser Woche der Mutlanger Gemeinderat bewiesen: Im Ort wird eine neue Flüchtlingssunterkunft gebaut. Das war am Montag. Also noch, bevor in Kiew die Bomben fielen. Und: Das war vorausschauend. Nicht nur, weil damit zu rechnen ist, dass Menschen aus der Ukraine fliehen, sondern auch, weil das LEA-​Privileg wegfällt, wenn Ende des Jahres die Ellwanger Landeserstaufnahmestelle schließt. Dann muss der Landkreis bei der aktuellen Zugangssituation pro Jahr 500 bis 700 Personen dezentral unterbringen. Das hat die Aalener SPD-​Bundestagsabgeeordnete Leni Breymaier ausgerechnet – und zwar bevor Putin den Schießbefehl gab. Und bevor Menschen wieder darüber nachdenken, ob sie ihre Heimat nicht besser verlassen sollten.
Also, darf man jetzt Fasnet feiern? Was würde wohl Bernie Gunther sagen? Der Privatdetektiv im Berlin der 1930er und 1940er Jahre. Der Krieg und Terror erlebt hat. Der so oft am Boden war und jedes Mal wieder aufgestanden ist. Ein aufrechter mutiger Mann. Einer, der die Hoffnung nicht aufgibt, auch wenn er nur eine Romanfigur ist.

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