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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Einfache Lösungen für eine lebenswerte Innenstadt von Schwäbisch Gmünd?

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Warum zerbrechen sich die Fachleute immer so den Kopf, um eine aufwändige Lösung für ein Problem auszutüfteln? Zum Beispiel im Hinblick auf die Art und Weise, wie eine Stadt fit für die Zukunft gemacht werden und mehr Aufenthalts– und Wohnqualität bieten soll. Hört man manche Stimmen aus der Bevölkerung, dann wäre das alles doch ganz einfach. Stimmt das? Die „Marginalien“ der Rems-​Zeitung, die Sie hier gratis und in voller Länge lesen können, befassen sich diese Woche mit dem Thema.

Sonntag, 05. März 2023
Gerold Bauer
3 Minuten Lesedauer

Einfache Lösungen?
Das Innenstadtforum hat es deutlich vor Augen geführt: Ein einfaches Patentrezept, wie alles und für alle besser werden wird, liegt noch nicht auf dem Tisch. Dafür gibt es viel zu viele widersprüchliche Interessen. Wenn jemand seinen Vorschlag mit der Formulierung beginnt: „Das ist doch ganz einfach“, ist Vorsicht geboten. Denn in der Stadtentwicklung ist es wie im Fußball: An Stammtischen (und in deren modernem Ableger „Soziale Netzwerke im Internet“) wimmelt es nur so von Experten, die alle genau wissen, was zu tun ist. Leider haben jene es aber in der Regel noch nie selbst getan und werden es auch nie tun. Aber immerhin wissen sie, wie man es machen müsste, wenn man es richtig machen wollte. Leider haben solche Konjunktive den entscheidenden Nachteil, dass sie nicht die verbürgte Realität, sondern nur die Möglichkeit beschreiben.
„Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch.“ Dieses Zitat wird oft Umberto Eco zugeschrieben. Dieser italienische Bestseller-​Autor hat den Satz aber selbst nur zitiert – mit dem Verweis, dass er nicht mehr wisse, von wem er stammt. Albert Einstein und George Bernard Shaw werden ebenfalls als Urheber dieser Redewendung gehandelt. Offenbar stammt der Satz aber vom amerikanischen Autor, Satiriker und Journalist Henry Louis Mencken aus dem Jahr 1921 und lautet dort so: „Erklärungen gibt es und hat es seit ewigen Zeiten gegeben; stets weiß man für jedes menschliche Problem eine Lösung — sauber, einleuchtend, und falsch.“
Was den Inhalt betrifft, ist es letztlich aber völlig egal, wer diesen Satz zum ersten Mal gesagt hat. Wichtiger ist die Erkenntnis, die damit einher geht: Es ist eben nicht alles so einfach, wie sich mancher das so vorstellt. Weder im Fußball noch in der großen Politik – und schon gar nicht in der Gestaltung der Stadtentwicklung. In einer Stadt liegt das nicht zuletzt daran, dass fast alles irgendwie mit etwas anderem vernetzt ist. Dreht man an einer Schraube, bewegt sich häufig an einer ganz anderen Stelle ebenfalls etwas. Ein schönes Beispiel dafür sind die Schmiedgassen. Betrachtet man diese isoliert, so kann man sich kaum etwas Schöneres ausmalen, als jene Vision, die schon vor einigen Jahren als Visualisierung in Gmünd publik gemachte wurde. Für die Mögglinger Ortsmitte gibt es übrigens einen ganz ähnlichen Entwurf. Beide Bilder zeigen eine Straße, die allerdings keine Straße mehr ist, weil dort so gut wie kein Auto fährt. Stattdessen bevölkern Fußgänger, Radfahrer und jede Menge Grünpflanzen die ehemalige Fahrbahn im harmonischen Miteinander. Rowdies auf dem Rad, die ohne Rücksicht auf Fußgänger unterwegs sind, sieht man auf diesen Visualisierungen nicht.
Das soll keine billige Polemik sein, sondern als Beispiel dienen, dass die „eierlegende Wollmichsau“ in Sachen Stadtentwicklung nicht existiert. Radler und Fußgänger können sich genauso gegenseitig im Weg sein wie derzeit Autofahrer und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer. Busse sind raumgreifend und laut – und damit ab und an lästig. Aber wenn man nicht nur Autos, sondern auch den ÖPNV aus dem Zentrum verbannt, dann schließt man damit all jene Leute aus, die nicht gut zu Fuß sind. Wenn 70, 80 oder gar 90 Prozent der Kunden eines Ladens im Zentrum derzeit noch mit dem Auto kommen, würde der Laden bankrott gehen, solange es andernorts oder am Stadtrand Geschäfte mit Parkplätzen vor der Tür gibt. Ohne Läden und Gaststätten wäre eine Stadt aber keine Stadt, sondern ein Wohn– und Schlafquartier, das in dieser Konsequenz wohl niemand in der Gmünder Innenstadt haben will. Auch nicht mit viel urbanem Grün. Will man die Wege einer Stadt für die Zukunft ebnen, gibt es eben keine einfache und reibungslose Patentlösung. Vielmehr muss jeder im Sinne des Gemeinwohls etwas vom Gewohnten oder Gewünschten abrücken. (pilatus)

Neben diesen „Marginalien“ gibt es in der prall gefüllten Samstag-​Ausgabe der Rems-​Zeitung noch viele lesenswerte Artikel. Falls Sie gerade keine gedruckte RZ zur Hand und auch keinen Zugang zum digitalen Abo haben, können sie diese Ausgabe trotzdem lesen. Die Rems-​Zeitung gibt es nämlich auch im Einzelverkauf online hier!



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